DOMRADIO.DE: Die Finanzlage der Stadt Köln ist angespannt. Sie hat angekündigt, bei vielen sozialen Projekten zu sparen. Aus Protest über die anstehenden Kürzungen gibt es an diesem Mittwoch eine Demonstration in Deutz. Der Katholikenausschuss ist die Dachorganisation der katholischen Laien. Für wen demonstrieren Sie heute?
Gregor Stiels (Vorsitzender des Kölner Katholikenausschusses): Gemeinsam mit der evangelischen Kirche sehen wir uns als aktive Stimme derjenigen, die in unserer Stadtgesellschaft keine große Lobby haben, die am Rand stehen, nämlich geflüchtete Menschen mit niedrigen Einkommen.
Genau für die wollen wir heute auf die Straße gehen und setzen uns damit für Zusammenhalt und menschliches Miteinander ein.
DOMRADIO.DE: Die Stadt muss sparen. Deswegen gibt es ein umfassendes Maßnahmenpaket im nächsten Doppelhaushalt. Die Notwendigkeit stellen Sie auch gar nicht in Abrede. Ihnen geht es aber um die Prioritätensetzung, oder?
Stiels: Ganz genau. Die Stadt Köln möchte ja vieles sein: Sportstadt, Medienstadt, Kulturstadt. Da muss man in Zeiten knapper Kassen klar sehen, dass das alles gemeinsam nicht möglich ist. Über all diese Diskussionen darf auf keinen Fall eine Sache passieren, nämlich, die soziale Stadt in Frage zu stellen. Die soziale Stadt ist ein Garant für Demokratie und sozialen Frieden. Das darf in Köln nicht verloren gehen.
DOMRADIO.DE: In der Arbeit mit Geflüchteten sind Kürzungen angekündigt. So sollen die Mittel für die Beratung von Menschen ohne Aufenthaltspapiere etwa komplett wegfallen. Was bedeuten solche Kürzungen oder Streichungen in der Geflüchtetenarbeit?
Stiels: Das bedeutet vor allem, dass eine Arbeit, die seit Jahren erfolgreich läuft, zerschlagen wird. Menschen in Not werden bei dieser Arbeit beraten, wir zeigen eine offene Haltung diesen Menschen gegenüber und haben viele Ehrenamtliche gefunden, die sich dabei engagieren.
Diese Strukturen gibt es nicht mehr. Wenn einmal die Ehrenamtler weg sind und diese Strukturen runtergefahren sind, sind sie sehr schwer wieder aufzubauen. Das heißt, in Beratung, Begleitung und Integration von Geflüchteten werden wir massive Rückschritte erleben müssen.
DOMRADIO.DE: Viele Angebote der Kinder- und Jugendhilfe in Köln und der Region sind auch bedroht. Inwiefern?
Stiels: Es gibt Kürzungen im Bereich der Stadtranderholung. Das heißt, das in Köln bekannte "HöVi-Land" oder "Ferien zu Hause" sollen kein Geld mehr bekommen. Das ist für mich unglaublich.
Ich möchte den Politiker sehen, der sich hinstellt und sagt: "Tut uns leid, liebe Kinder und Jugendliche, gerade ihr, die ihr kein Geld habt und nicht zusammen mit eurer Familie in die Ferien fahren könnt, habt auch keine Möglichkeiten mehr, hier in Köln Ferien zu machen."
Das, was wir als Kirche angeboten haben, die Stadtranderholung, steht in dieser Form vor dem Aus.
DOMRADIO.DE: Wahrscheinlich hofft man auf Sponsoren, die dann einspringen, oder?
Stiels: Ja, kann sein. Aber die Stadt darf sich aus solchen Sachen nicht zurückziehen. Wenn man sagt, wir leisten uns vieles anderes und wollen das aufrechterhalten, aber für die Schwachen wollen wir es nicht mehr, sind das falsche Signale, die die Stadt setzt.
DOMRADIO.DE: Wird in solchen Fällen noch auf Kirche gehört?
Stiels: Ja. Wir treten mit der evangelischen Kirche immer gemeinsam auf. Unser christlicher Blick und unsere christliche Haltung sind ein wichtiger Kompass, gerade wenn es eng wird.
Das Interview führte Tobias Fricke.