DOMRADIO.DE: Hallo oder doch Alaaf?
Thomas Frings (Kölner Pfarrer, Karnevalspräsident, Sitzungspräsident): Sagen wir ruhig Alaaf.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn Karneval zu feiern in diesen Zeiten? Lieber nicht? Oder jetzt erst recht?
Frings: Dennoch! Für das "lieber nicht" bin ich nicht.
Wir haben Karneval in den letzten Jahren zweimal ausfallen lassen: Einmal ist wegen des Kriegs gegen die Ukraine der Rosenmontagszug ausgefallen, stattdessen gab es da eine große Friedensdemo in Köln. Und im Jahr davor ist wegen Corona alles ausgefallen. Es sollte nicht wieder ausfallen. Aber "jetzt erst recht" würde ich auch nicht sagen, das hört sich so trotzig an.
DOMRADIO.DE: Der 11. November ist ein besonderer Tag. Und wir feiern nicht nur Karneval. Ist denn das Feiern für uns Katholiken sowieso nicht immer nur positiv besetzt?
Frings: Ach doch. Feiern sollte immer positiv besetzt sein, sonst macht das Feiern auch keinen Spaß. Und ich erinnere mich noch an den 11.11. im vergangenen Jahr, da kam jemand bei der Veranstaltung, wo ich war, rein und sagte, es habe antisemitische Äußerungen vor der Synagoge gegeben.
Spontan haben fast alle großen Gesellschaften und Traditionskorps eine Abordnung geschickt und eine Protestdemo vor der Synagoge gemacht. Man sieht, wir sind nicht nur am Feiern, wir beobachten auch sehr genau, was passiert und reagieren darauf.
DOMRADIO.DE: Feiern, Freud und Leid, das gehört im Katholischen dazu. Der Karfreitag zum Beispiel ist ja auch so dieser Hinsicht ein sehr zweigeteilter Tag ...
Frings: Ich akzeptiere, dass man nicht das ganze Leben feiern kann. Ich bin alt genug, um zu wissen, dass es gut ist, auch nicht das ganze Leben zu feiern. Aber auf die Feiertage freue ich mich doch ein bisschen mehr als auf Karfreitag oder auf die traurigen Tage.
Dabei liebe ich zum Beispiel sehr Allerseelen und bin jetzt auch mit der Karnevalsgruppe "Nippeser Bürgerwehr" am Allerheiligentag über den Friedhof gelaufen, habe die Gräber gesegnet. Das gehört alles dazu, das ganze Leben.
DOMRADIO.DE: Rosenmontagszüge wurden zum Beispiel aufgrund des Ukrainekrieges oder des Golfkriegs abgesagt. Wo zieht man da eine Grenze?
Frings: Ich schließe mich der Entscheidung an, die die Offiziellen da gefällt haben. Ich würde dagegen nicht auf die Straße gehen und demonstrieren und protestieren. Ich war auch ganz stolz auf die Jecken im Rheinland, von Köln bis Mainz. Als alles abgesagt wurde, haben hier keine Autos gebrannt und sind keine Läden geplündert worden wie an manch anderen Stellen. Und bei uns ist ja nicht nur ein Wochenende ausgefallen, sondern für die, die heute anfangen, fällt wirklich eine ganze Jahreszeit weg.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja genügend Menschen, die mit Karneval oder Fasching nichts anfangen können. Wie kann man denjenigen die Faszination dieser fünften Jahreszeit vermitteln?
Frings: Ich bin ja im Beruf katholischer Priester und bin missionarisch mit dem Evangelium unterwegs, aber nicht mit dem Karneval. Wenn mir jemand sagt, ich kann mit Karneval nix anfangen, dann wechseln wir sofort das Thema. Wenn er sagt, ich weiß nicht, ob ich damit was anfangen kann, dann lade ich ihn ein und sage: Komm einfach mal mit.
Man kann es nämlich nicht gut erklären, man muss es erlebt haben, man muss die Stimmung erlebt haben. Lieder singen, schöne Texte anhören ... Wir haben großen Spaß daran. Geh einfach mit. Wenn der Funke überspringt, hast du Glück gehabt, wenn er nicht springt, hast du es gewusst und brauchst doch nie wieder mitzugehen. Da bin ich ganz großzügig.
DOMRADIO.DE: Wie feiern Sie heute also den 11.11.?
Frings: Zuerst muss ich noch zu einer Beerdigung, aber heute Abend werde ich losziehen. Ich bin in erster Linie immer Priester und ich habe auch schon Karnevalsveranstaltung erlebt, da rief mich jemand an: Es gibt einen Sterbefall, wir finden keinen Priester. Das hat hat dann Vorrang. Das gehört sich einfach so! Aber das stört meinen Karneval nicht.
Das Interview führte Bernd Hamer.