Kohlgraf hält Schmerzensgeld aus Kirchensteuern für möglich

"Moralisch fast in einer Haftungsgemeinschaft"

Bisher war es weitgehend tabu, Zahlungen an Missbrauchsopfer aus Kirchensteuern zu begleichen. Aber wenn – auch durch Gerichte – die Schmerzensgeldzahlungen weiter steigen, könnten Bistümern die Alternativen ausgehen.

Bischof Peter Kohlgraf / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Peter Kohlgraf / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf will die Nutzung von Kirchensteuermitteln für Schmerzensgeldzahlungen an Missbrauchsopfer nicht ausschließen. "Wenn es so weit käme, dass die Zinserträge des Bistumsfonds nicht mehr ausreichen und Kirchensteuermittel nötig werden, müssten wir noch einmal neu überlegen", sagte er am Wochenende der "Rheinischen Post": "Moralisch gesehen sind wir fast schon in einer Haftungsgemeinschaft." Bisher werden die Gelder meist aus Sonderfonds und anderen Quellen bezahlt, um die Kirchensteuerzahler nicht in Mithaftung zu nehmen.

Zivilrechtliche Weg

Hintergrund sind zwei Prozesse in Köln und Traunstein. In beiden Verfahren stehen Schmerzensgeldzahlungen von rund 300.000 Euro im Raum. Das Landgericht Köln hatte bereits im Juni entschieden, dass das Erzbistum Köln einem missbrauchten früheren Messdiener die bislang höchste Schmerzensgeldsumme von 300.000 Euro zahlen soll. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In Traunstein ist nach Angaben des Gerichts in diesem Jahr nicht mehr mit einem Urteil zu rechnen.

Die Urteile dürften für alle Bistümer relevant sein, so Kohlgraf weiter. Der zivilrechtliche Weg stehe jedem Betroffenen offen, allerdings müsse dort jeder Fall einzeln genau geprüft werden. Und im Unterschied zum Verfahren bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) müssten auch alle Details der Tat offengelegt werden. "Ob das jeder Betroffene durchhalten will und kann, ist letztlich seine Entscheidung", fügte der Bischof hinzu.

Allerdings habe ihn schon verwundert, welche niedrigen Beträge zur Anerkennung des Leids manchmal festgesetzt würden. Denn es gebe "auch im Bistum Mainz Betroffene, die einen hohen fünfstelligen Betrag bekommen haben".

Neue Maßstäbe?

Zuletzt hatte auch die UKA Vorsitzende Margarete Reske angekündigt, dass Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche nach Abschluss der Prozesse vermutlich mit höheren Zahlungen rechnen könnten. Hier könne es gegebenenfalls auch zu einer grundsätzlichen Anpassung kommen, "sollten zum Beispiel durch das Kölner Urteil bezogen auf einzelne Merkmale Maßstäbe der Bemessung angehoben werden", sagte Reske der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Denn wir werden uns – wie das auch bisher geschehen ist – im oberen Bereich der von staatlichen Gerichten zuerkannten Beträge halten."

Erzbistum Köln muss 300.000 Euro an Missbrauchsopfer zahlen

Das Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schadensersatz an einen Missbrauchsbetroffenen zahlen. Das entschied das Landgericht Köln.

Der Betroffene hatte 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Er hatte bereits 25.000 Euro von der Diözese in Anerkennung seines Leids erhalten. Bei einem ersten Verhandlungstermin Anfang Dezember hatte Richter Stephan Singbartl einen Vergleich vorgeschlagen. Es kam jedoch nicht zu einer Einigung. Der Prozess könnte Vorbildcharakter für weitere Schmerzensgeldklagen gegen die katholische Kirche haben.

Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera (shutterstock)
Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera ( shutterstock )
Quelle:
KNA