DOMRADIO.DE: Krakau liegt gerade einmal 200 Kilometer entfernt von der ukrainischen Grenze. Wie viel bekommen Sie von dem Krieg mit?
Patrycja Kwapik (Koordinatorin der Ukraine-Nothilfe bei Kolping in Krakau, Polen): Vom ersten Tag an eine ganze Menge. Seit Beginn des Krieges kommen unheimlich viele Menschen nach Krakau. Die Situation hat sich inzwischen stabilisiert und beruhigt. Es flüchten nicht mehr so viele Menschen wie zu Anfang, aber jetzt sind die Menschen, die gekommen sind, in Polen und wollen versorgt werden.
Man trifft sie überall in der ganzen Stadt: auf den Straßen, in den Supermärkte, in Bussen und überall. Mein Eindruck ist, dass sehr viele der Ukrainerinnen und Ukrainer für längere Zeit in Krakau bleiben möchten, um sich dort ein neues Leben während der Zeit des Kriegs aufzubauen.
DOMRADIO.DE: Es heißt, dass einige der Ukrainerinnen und Ukrainer auch schon wieder zurückkehren. Kennen Sie solche Fälle?
Kwapik: Wir als Kolpingwerk und auch ich persönlich kennen viele dieser Menschen. Wir haben ihnen geholfen aus der Ukraine nach Polen auszureisen; haben sie unterstützt und halten zu einigen auch Kontakt. Es sind viele Menschen, die nach einiger Zeit wieder zurückgefahren sind.
Zum Beispiel Ida, eine junge Frau, die mit ihrer Tochter zurück in die Ukraine gereist ist, um näher bei der Familie zu sein und die Möglichkeit zu haben, ihren Ehemann zu treffen, der im Osten kämpft. Sie wollte nicht in Polen bleiben und lebt jetzt im Gebirge in den ukrainischen Karpaten.
Oder eine Frau, die aus Donezk zu uns gekommen ist. Nach einigen Monaten hier in Polen ist sie in die Ukraine zurückgekehrt und arbeitet jetzt in einem Krankenhaus in Dnipro. Dort ist sie unsere Kontaktperson und wir bemühen uns zurzeit darum, Hilfsleistungen direkt an dieses Krankenhaus zu schicken.
DOMRADIO.DE: Umfragen zeigen, dass die Hilfsbereitschaft der Polen für die Ukraine im vergangenen Jahr schrittweise zurückgegangen ist. Wie erleben Sie das?
Kwapik: Unter unseren Mitgliedern, den Helfern und den Freiwilligen erlebe ich das nicht. Zum Glück! Aber ja, die Umfragen zeigen, dass die Hilfsbereitschaft der Polen nicht mehr so groß ist wie zu Beginn des Krieges.
Das liegt aber daran, dass die Menschen selbst finanzielle Probleme haben wegen der stark gestiegenen Preise. Viele haben schon selbst Angst und sorgen sich, wie sie ihr Leben weiterbezahlen können. Deswegen sinkt die Bereitschaft zu spenden.
Trotzdem denke ich, dass es auch in Zukunft noch sehr viele Menschen geben wird, die der Ukraine und den Menschen dort langfristig helfen wollen.
DOMRADIO.DE: Was brauchen die Menschen, die nach Polen gekommen sind, aktuell am dringendsten?
Kwapik: Neben den Grundbedürfnissen wie einer Unterkunft und Verpflegung steht vor allem die längerfristige Hilfe an, wie Arbeitsberatungen und auch psychologische Beratung. Die Menschen sollen nicht nur einen sicheren Platz haben, sondern auch eine Perspektive, um im Leben weiterzumachen; trotz all der vielen Probleme, die der Krieg mit sich bringt.
Die Flüchtlinge haben Heimweh und Sehnsucht nach Frieden. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist nur ein Teil der Arbeit. Deswegen versuchen wir mit Menschen auch Zeit zu verbringen und den Kontakt zu Spezialisten herzustellen.
Das Interview führte Verena Tröster.