DOMRADIO.DE: Streitpunkt ist ja die Frage: Wo ist der Unterschied zwischen Werbung und Information für Abtreibung? Der Kompromiss sieht jetzt so aus, dass Werbung für Abtreibungen weiter strafbar ist, dass aber informiert werden darf. Das sollen die Ärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung übernehmen. Seit Monaten streitet die Koalition über das Thema. Sind Sie zufrieden mit dem Kompromiss?
Christian Hirte (CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Kardinal-Höffner-Kreises der Unionsfraktion): Der Kompromiss ist ein ganz wichtiger erster Schritt hin zu einer Lösung dieser Auseinandersetzung innerhalb der Regierungskoalition. Wir als Union haben uns ja immer relativ klar für das Lebensrecht der Ungeborenen positioniert.
Und ich glaube, es ist auch Ausdruck der Bereitschaft innerhalb der Koalition, jetzt vernünftig miteinander konstruktive Lösungen zu finden. Es ist definitiv eine positive Entwicklung, weil gleich der erste der fünf Eckpunkte, auf die man sich verständigt hat, ganz klar formuliert, dass man den Schutz des ungeborenen Lebens weiter ausbauen will.
DOMRADIO.DE: Es gibt trotzdem immer noch Kritik an diesem Kompromiss, unter anderem von der Ärztin Kristina Hänel. Der Name ist bekannt, weil sie dieses Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie auf ihrer Internetseite über Abtreibungen informiert hat. Sie war quasi der Auslöser für die ganze Debatte. Sie sagt jetzt, die Ärzte, die über Abtreibungen informieren, werden weiterhin kriminalisiert, weil der Paragraf mit der möglichen Geldstrafe weiterhin existiert. Was ist Ihre Meinung dazu?
Hirte: Die Kritik kann ich in keinster Weise nachvollziehen. Wir werden jetzt relativ klar regeln, wer genau informieren kann. Das stellt künftig sicher, dass es eben genau solche angeblichen Konfliktsituationen für Ärzte nicht mehr gibt. Es muss am Ende darum gehen, dass derjenige, der einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen würde, nicht selbst dafür werben darf.
Es ist ein ganz fein austariertes System der Paragrafen 218 und folgende, die sicherstellen sollen, dass das Leben geschützt wird. Und deswegen ist es auch notwendig sicherzustellen, dass man nicht für eine Leistung wirbt, die eben kein normaler medizinischer Eingriff ist.
DOMRADIO.DE: Es ist eigentlich eine Gretchenfrage - ist es denn möglich zu informieren ohne zu werben?
Hirte: Es ist ja so, dass eine Information - so sieht es das Fünf-Punkte-Papier vor - in Zukunft von der Bundesärztekammer oder von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gegeben werden soll. Und zwar dann, wenn die Entscheidung getroffen ist, dass ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden soll. Dann sollen breit Informationen zur Verfügung gestellt werden, wer das wo ganz konkret vornehmen kann.
Jetzt wäre ich nicht derjenige gewesen, der geglaubt hätte, dass es daran großen Mangel gibt, in Zeiten von Internet. Aber als Abgeordneter der Union akzeptiere ich, dass es da offenkundig auch andere Auffassungen der SPD gibt.
DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns kurz auf die politischen Implikationen schauen. Ihre neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagt: Mit mir wird der Paragraf 219a auf keinen Fall abgeschafft. SPD-Chefin Andrea Nahles hat ihrer Partei im Prinzip das genaue Gegenteil versprochen. Ist denn der Streit mit dem Kompromiss jetzt beigelegt?
Hirte: Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt nach vorn. Es hatten sich ja Anfang Dezember die Jusos auf ihrem Bundesdelegiertentreffen in einer Art und Weise positioniert, die die Situation schon zum Eskalieren gebracht hat; nämlich so, dass nicht nur der Paragraf 219a, sondern auch der 218 abgeschafft werden sollte. Also die komplette Legalisierung der Schwangerschaftsabbrüche - das heißt, bis zur Vollendung der Geburt nicht mehr strafbar. Das ist völlig inakzeptabel.
Und wenn wir uns jetzt darauf verständigen, unseren Kompromiss gemeinsam nach vorne zu bringen, wenn sich also die beiden Regierungsteile Union und SPD auf eine gemeinsame Linie verständigen, ist das doch ein ganz positiver Schritt nach vorne. Ich bin optimistisch, dass wir uns dann auch im parlamentarischen Verfahren auf eine vernünftige Lösung verständigen - so sehr wir da auch streiten werden.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.