Der anglikanische Erzbischof Justin Welby sieht sich nun dem Vorwurf der Scheinheiligkeit gegenüber, da er noch am Mittwoch bei einer Rede vor dem Gewerkschaftskongress TUC Amazons Strategie der Steuervermeidung und die dortigen Arbeitsbedingungen scharf kritisiert hatte. Nullstundenverträge schüfen Abhängigkeiten und seien "eine Reinkarnation des alten Bösen", so der Primas der Kirche von England dort.
Mehrere Ausschreibungen für Nullstundenverträge
Laut britischen Medien hat die Kirche von England derzeit aber selbst mehrere Ausschreibungen für Nullstundenverträge laufen. Das Besondere solcher Verträge besteht darin, dass der Beschäftigte nur dann tätig werden soll, wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Bedarf hat. Damit sind sie für den Arbeitgeber wirtschaftlich vorteilhaft, für die Beschäftigten jedoch unsicher. Zero-hours contracts sind insbesondere in Großbritannien weit verbreitet.
In einer ersten Stellungnahme sagte ein Sprecher der Kirche von England, dass Nullstundenverträge "nicht das gegenwärtige Denken widerspiegeln" und man diese "als verantwortungsvoller Arbeitgeber überprüfen" werde. Steuervermeidung großer Unternehmen sei zwar ein ethisches Problem, man sei aber der Ansicht, dass man mit diesen Unternehmen im Dialog bleiben müsste, sagte er mit Blick auf Amazon.
Man könne "als aktiver Aktionär eher Wandel anstreben", als wenn man diesen Unternehmen den Rücken zukehre, so der Sprecher.
Keine Lohnfortzahlung für Angestellten der Kirche?
Die "Times" veröffentlichte am Freitag den Brief eines Lesers, der selbst mit einem Nullstundenvertrag in einem Buchladen einer Kathedrale gearbeitet habe. Es wäre wohl besser gewesen, wenn Welby "vor seiner eigenen Haustür gekehrt hätte", bevor er eine solche Kritik ausspricht, so der Leser. Es stelle sich die Frage, wie viele der Angestellten der Kirche ebenfalls keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bei Urlaub oder Schwangerschaft haben, schrieb er.