DOMRADIO.DE: In Ihrem Einladungstext zur Pädagogischen Woche schreiben Sie: "Die Entwicklung künstlicher Intelligenzen stellt Fragen an die Hoffnungsansprüche und das Selbstverständnis des Menschen." Inwiefern tut sie das?
Christoph Westemeyer (Fachbereichsleiter im Erzbistum Köln im Bereich Schule & Hochschule Religionsunterricht, Lehrerbildung & öffentliche Schulen): Man könnte auch die Frage stellen, ob Radiomoderatoren möglicherweise bald überflüssig werden. Meine Antwort wird immer "Nein, auf keinen Fall" sein. Wir müssen das Gute in dieser Technik sehen, und keinesfalls in irgendeinen Kulturpessimismus verfallen. Aber wir müssen natürlich auch schauen, wie wir damit umgehen, was das für uns konkret heißt. Und insbesondere auch für uns als katholische Christen. "Was ist eigentlich der Mensch, dass du, Gott, seiner bedenkst", heißt es in Psalm 8. Das wird unsere Frage sein. Und da wollen wir etwas anders draufschauen als nur technisch oder nur pädagogisch. Künstliche Intelligenz ist eine große Herausforderung für die religiöse Bildung.
DOMRADIO.DE: Das christliche Menschenbild, die Rede von Gott, die Lehre und Künstliche Intelligenz werden also auch bald in Schulen diskutiert. Wie könnte das denn aussehen?
Westemeyer: Zunächst mal sind wir darum bemüht, an unseren Schulen gut mit der Technik umzugehen. Wir wollen aber nicht nur die Technik gut bedienen können, sondern auch die Ethik berücksichtigen. Kann ich auch ethisch gut mit Technik umgehen? Wir versuchen immer die Chancen zu sehen und dabei die Herausforderungen im Blick zu behalten.
Ein Beispiel: Der Umgang mit der Endlichkeit. Das ist ein Thema, das eine große Rolle spielt. Menschen, die einsam sind, die einen Menschen verloren haben, fragen, ob es die Möglichkeit gibt, mit diesem Menschen im Gespräch zu bleiben. Wie können wir dieses Leben verändern? Wie können wir es verlängern?
Als Christen wissen wir, dass das leider nicht so einfach ist. Wir sind Menschen mit Leib und Seele. Wir schauen ganzheitlich auf diese Welt, Gott hat uns diese Verantwortung gegeben. Von daher sind Menschen nicht technisch ersetzbar sind und auch technisch nicht verlängerbar über eine Zeit nach unserem irdischen Leben hinaus.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie KI-Lehrer als Zukunftsmöglichkeit? Lehrerinnen und Lehrer, die Religionsunterricht zum Beispiel machen, die nie krank werden, immer erreichbar sind und freundlich?
Westemeyer: Gerade für das Fach Religion kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Sicherlich werden Roboter in der Schule in Zukunft eine Rolle spielen. Wir haben sie ja auch in der Pflege und anderen gesellschaftlichen Belangen. Wir brauchen die Segnungen und die ganzen Möglichkeiten, die KI bietet. Wir brauchen sie auch in der Schule, aber ein Lehrer und eine Lehrerin werden sicherlich nie durch einen Computer ersetzbar sein.
DOMRADIO.DE: An diesem Montag wird der NRW-Staatssekretär im Ministerium für Bildung und Schule auf der Pädagogischen Woche einen Festvortrag halten. In welche Richtung wird der Vortrag gehen?
Westemeyer: Wir haben ihn angefragt, damit wir, neben unserem eher theologischen und ethischen Blick, den wir als Kirche haben, zuhören können, was die Politik zu diesen Fragestellungen zu sagen hat. Er hat seinen Vortrag unter den interessanten Titel gestellt "Das Beste und das Schlimmste - Was der Bildung passieren kann". Ich nehme an, dass er das Gute sieht, aber auch nach den Grenzen von künstlicher Intelligenz fragt. In unserem Titel sprechen wir sogar von künstlichen Intelligenzen. Für das Leben, das Lernen und den Glauben ist dieser Begriff nicht so einfach auf einen Singular zu reduzieren.
DOMRADIO.DE: Die Pädagogische Woche richtet sich an die Lehrer von katholischer Schulen. Einmal im Jahr findet sie statt und in diesem Jahr zum Thema Künstliche Intelligenz. Was erwarten Sie von dieser Woche?
Westemeyer: Zum einen erwarten wir uns inhaltliche Impulse. Wir haben viele, wirklich gute Fachleute für Vorträge gewinnen können. Es gibt immer ein Podiumsgespräch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, oder einen Vortrag. Dazu haben wir schulpraktische Arbeitskreise, in denen es um die Frage geht, wie man KI in den Schule und im Religionsunterricht verorten kann. Einige Themen haben wir eben schon angesprochen.
Wir hoffen auch auf einen Austausch der Kolleginnen und Kollegen zu dem Thema. Vielleicht sogar mit Robotern, die da rumfahren werden. Wir haben uns bemüht, unser Thema technisch abzubilden. Deshalb werden zwei Roboter durch das Haus fahren und unter anderem die tolle Ausstellung der Liebfrauenschule in Köln erläutern. Man kann sich einen Roboter nehmen und geht mit ihm zu den Kunstwerken und man wird von ihm geführt.
Das Interview führte Tobias Fricke.