Sie könnte "im Quadrat toben", wenn sie die jüngsten Äußerungen von Kardinal Jean-Claude Hollerich lese.
So sprach die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, unlängst in Erfurt. Woher rührte ihr Unmut über den Papstvertrauten und Generalrelator des synodalen Prozesses der Weltkirche?
Hollerich warnte vor übertriebener Ungeduld
In einem Interview mit dem Schweizer Portal kath.ch hatte der Luxemburger Mitte Mai insbesondere die Fraktion der vorwärts drängenden Frauen im Westen vor übertriebener Ungeduld in der Sache gewarnt: "Wenn man zu groß angreift, wird man nicht viel erreichen." Und: "Man muss behutsam sein, einen Schritt nach dem anderen machen."
Was in der Aufregung womöglich übersehen wurde: dass Hollerich die bisherige Haltung des Lehramtes zur Streitfrage ausdrücklich nicht als unfehlbare Entscheidung qualifizierte: "Es kann geändert werden. Es braucht Argumente und Zeit."
Falsche Hoffnung
Damit klingt der einflussreiche Kardinal doch sehr anders als etwa der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke. Dieser hält es für "verantwortungslos", Frauen immer noch aus seiner Sicht falsche Hoffnung zu machen. Am päpstlichen Verdikt sei nicht zu rütteln. "Das ist wahrlich kein erfreulicher Befund, aber ein ehrlicher", sagte Lüdecke kürzlich der KNA.
Der ehemalige Glaubenspräfekt, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, unterstrich in einem Interview mit dem Schweizer Portal "kath.ch" Anfang Juni die traditionelle Position des Lehramts. Nur Männer könnten Christus darstellen, sagte er.
Der Priester repräsentiere "in seinem Mannsein Christus, den Bräutigam der Kirche, die seine Braut ist." Wenn sich Frauen zu diesem Amt berufen fühlten, müsse das ein Irrtum sein. Die Berufung zu Mann und Frau komme von Gott. Beschwerden gegen diese der Schöpfung innewohnende Ordnung müssten letztlich an Gott gerichtet werden.
Nur wenige Tage zuvor hatte sich der emeritierte Würzburger Fundamentaltheologe Elmar Klinger zu Wort gemeldet. In einem Aufsatz für das theologische Feuilleton-Portal feinschwarz.net schrieb er, der Papst könne sehr wohl die Frauenordination einführen - und sollte das auch tun.
Kein "dogmatisches Problem"
Die bisherige Selbstbeschränkung in lehramtlichen Äußerungen, man sei dazu nicht befugt, seien Ausdruck "falscher Bescheidenheit". Es handle sich nicht um ein "dogmatisches Problem", sondern um eine "Genderfrage der Pastoral", so Klinger.
Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück sprach in diesem Zusammenhang in einem Interview mit dem Kölner Portal "DOMRADIO.DE" dieser Tage von einem "Modernitätskonflikt". Seit 2.000 Jahren gebe es in der katholischen Kirche und auch den Kirchen des Ostens die Praxis, allein Männer zu weihen.
Verweis auf urkirchliche Sachverhalte
"Jesus war ein Mann - daher ist es angemessen, dass die sakramentale Repräsentation durch Männer geschieht." Tück räumte zugleich ein, dass dieses Argument "in modernen Gesellschaften immer weniger überzeugt" und der Verweis auf "geschichtliche Vorgaben" wissenschaftlich nicht gerade zwingend sei.
Das sieht Kollege Klinger ebenso, nur zieht er daraus den gegenläufigen Schluss. "Wäre das Argument stichhaltig, dann müsste das Bischofskollegium aus zwölf Mitgliedern bestehen und durch Losverfahren gewählt sein", so der Theologe unter Verweis auf andere urkirchliche Sachverhalte wie die in der Apostelgeschichte überlieferte einzige Nachwahl eines Apostels.
Ethnische und biologische Zugehörigkeiten mögen einen faktischen Tatbestand darstellen, führt Klinger weiter aus. Sie müssten aber unterschieden werden von dem, was rechtsverbindlich sei. Dieser Unterschied sei "in der katholischen Tradition immer richtungsweisend" gewesen und insbesondere in der Sakramentenlehre von großer Bedeutung.
Unterschied zwischen Mann und Frau nur bei Priesterweihe
So habe die Urkirche den Streit um die Heidentaufe entschieden. Man müsse daher bis heute kein Jude sein, um Christ werden zu können. Nirgendwo sonst in der Sakramentenlehre gebe es einen rechtskräftigen Unterschied zwischen Mann und Frau, außer bei der Priesterweihe.
Die bisherigen römischen Verlautbarungen zum Thema würden diese Argumente nicht behandeln, kritisiert Klinger. Die schon vor mehr als 25 Jahren getroffenen Feststellungen des päpstlichen Bibelinstituts, dass nichts gegen eine Frauenordination spreche, würden nicht rezipiert.
Feminismus auf katholischem Boden
Auch nicht das, was das Zweite Vatikanische Konzil über das allgemeine und das besondere Priestertum formuliert habe. Das Konzil aber bietet laut Klinger "die Basis einer Auseinandersetzung mit dem Patriarchalismus und kann die Grundlage eines Feminismus auf katholischem Boden sein".
Ausgehend von der vom Konzil formulierten Theologie des Volkes Gottes lasse sich sagen: "Frauen müssen Ämter nicht fordern, sondern haben sie bereits. Sie sind entweder selbst Kirche oder sie gehören nicht zu ihr."
Andernfalls, so der Theologe, könnte die Kirche nicht Volk Gottes in Christus sein, sondern wäre lediglich ein Männerbund, ein Traditionalistenverein.
Indes lässt Papst Franziskus derzeit kaum Neigung erkennen, etwas an der traditionellen Haltung zu ändern. In einem Pfingst-Interview mit dem US-Sender CBS antwortete das Kirchenoberhaupt auf die Frage der Moderatorin, ob ein katholisches Mädchen je die Möglichkeit haben werde, Diakonin und damit Mitglied des Klerus zu werden, schlicht mit "nein".
Papst Äußerung sorgte für Irritationen
Das erzeugte nicht nur beim Würzburger Bischof Franz Jung Irritationen. Man frage sich, wieso es dann Studiengruppen zu dem Thema gebe, wenn es offenbar doch entschieden sei, sagte Jung in Erfurt. Er selbst habe in vielen Gesprächen erfahren, dass Frauen von der Haltung der Kirche verletzt seien.
Die US-Theologin Phyllis Zagano, 2016 selbst Mitglied einer päpstlichen Kommission zur Untersuchung des Frauendiakonats, sagte dem "National Catholic Reporter": "Es ist bedauerlich, dass Papst Franziskus sich so darstellen lässt, als würde er die Tradition der geweihten Diakoninnen im Christentum leugnen."
Streit um Weihe einer Diakonin in der Orthodoxen Kirche
Welche Kraft oder auch Relativität solche historischen Befunde haben, lässt sich von den christlichen Geschwistern im Osten lernen. In der Orthodoxen Kirche gibt es aktuell ebenfalls einen Streit um die Weihe einer Diakonin, die unlängst Metropolit Seraphim von Simbabwe vollzog.
Metropolit Theopletos von Ikonium (türkisch: Konya) sagte daraufhin, möglicherweise habe es im 3. Jahrhundert Diakonissen gegeben. Aber damit gebe es sie zugleich seit nunmehr 18 Jahrhunderten nicht mehr. Die jüngste Weihe einer Diakonin sei insoweit ein "Rückschritt". Die orthodoxe Kirche aber sei fortschrittlich. Dazu passe nicht, effektiv abgeschaffte Institutionen wiederzubeleben.