DOMRADIO.DE: Herr Bischoff, Sie sind Pfarrbeauftragter im Bistum München und Freising. Warum braucht es Laien, die Verantwortung für Gemeinden übernehmen?
Konstantin Bischoff (Pastoralreferent im Erzbistum München und Freising): Im Regelfall ist es so, dass eine Pfarrei einen Pfarrer hat. Im Kirchenrecht gibt es eine Möglichkeit, für die Spezialisten: Canon 517, §2 besagt, dass in Zeiten von Priestermangel Pfarreien unter Umständen auch von Laien mit geleitet werden können. Ganz konkret heißt das, dass ein priesterlicher Kollege und ich die Pfarrei gemeinsam leiten.
Warum braucht es das? Ich glaube, das liegt daran, dass sich Kirche immer an einem konkreten Ort konstituiert. Die Möglichkeit ist hier, dass ein Ort ganz verlässlich Ansprechpartner hat, auch dort, wo es sonst einen riesigen Zusammenschluss bräuchte.
DOMRADIO.DE: Nun ist der Beruf des Pastoralreferenten gar nicht weltweit verbreitet. Den gibt es im deutschsprachigen Raum und in den Niederlanden. Warum ist das ein Konzept, das sich hauptsächlich bei uns verbreitet hat?
Bischoff: Mit Sicherheit ist das zuallererst eine finanzielle Frage, weil es Geld dafür braucht, um professionelle Theologinnen und Theologen anstellen zu können. Aber gleichzeitig ist es eine Frucht, die vor etwas mehr als 50 Jahren ganz konkret aus der Lebenswirklichkeit junger Menschen, die für Kirche arbeiten, aber nicht Priester werden wollten, entstanden ist. Zunächst nur Männer, später auch Frauen.
Es hat in Deutschland begonnen, in den Niederlanden hat es sich weiterentwickelt. In Österreich und der Schweiz gibt es auch Kolleginnen und Kollegen, in den Niederlanden gehen sie gerade ganz stark zurück.
Dafür entdecken wir in der Vorbereitung unseres "World Meetings", dass es durchaus analoge Dinge in ganz anderen Teilen der Welt gibt, die die gleiche theologische Idee haben. Menschen, die ohne Weihe, aber in großer Professionalität und auch Amtlichkeit für Kirche tätig sind.
DOMRADIO.DE: Wie unterscheidet sich das denn? Was sind das für Leute, die in den anderen Ländern als Laien theologisch aktiv sind?
Esther Göbel (Pastoralreferentin im Erzbistum Berlin): Das sind zum großen Teil Menschen, die sich für Theologie interessieren und das studiert haben und die das Interesse dann auch in die berufliche Richtung gelenkt hat.
Zum ganz großen Teil sind es in der Weltkirche natürlich Ordensleute, die eine entsprechende Ausbildung über ihr Ordensleben bekommen haben und in pastoralen Bereichen tätig werden. Das zum Teil auch mit einer sehr profunden theologischen Ausbildung, mit einem Studium bis hin zum Doktorgrad und hohen akademischen Abschlüssen.
DOMRADIO.DE: Haben es denn Laientheologinnen und -theologen in anderen Ländern schwieriger als in Deutschland?
Göbel: Das ist eine Frage von Entwicklung. Das war bei uns vor ein paar Jahrzehnten auch nicht viel anders, dass das einfach ein neuer Beruf war und es üblich war, dass die Priester Theologie studiert haben und die Laien nicht.
Allein der Begriff "Laien-Theologen" ist schon ein bisschen schwierig, weil er zum einen dieses sehr allgemein verständliche Wort Laie mit der Professionalität koppelt. Gemeint sind natürlich die Laien aus dem vom Volk Gottes. Das weiß aber fast keiner. Insofern klingt das Wort Laientheologe fast schon etwas abwertend. Das ist natürlich überhaupt nicht so, denn wir haben die gleiche Ausbildung wie die Priester.
Das hat sich erst in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils entwickelt. Ungefähr in der Zeit fing es an, dass Menschen Theologie studiert haben und auch in die Wissenschaft, an die Universitäten gegangen sind, die keine Priester waren.
Dementsprechend kann man das für die Weltkirche auch nicht ganz so pauschal sagen.
Es ist in den Ländern sehr unterschiedlich. Auf den Philippinen zum Beispiel ist das vielleicht nicht total verbreitet, aber allein über das "Bukal ng Tipan"-Institut, wo viele deutsche Diözesen auch schon hingefahren sind, um sich schlau zu machen und bilden zu lassen, wurde einiges erreicht. Da arbeiten auch Frauen sehr hoch wissenschaftlich und akademisch als Theologinnen.
DOMRADIO.DE: Warum kommt es jetzt erst zu so einem "World Meeting"?
Bischoff: Jede Idee braucht erst mal einen Ideengeber. Europäische Vernetzung gibt es unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten schon viele Jahre. Jetzt auf die Welt zu gucken, hat mit Sicherheit auch den Auslöser der weltweiten Synode. Denn es ist deutlich geworden, wenn wir die Vorbereitungsdokumente anschauen, dass manche Fragen, wie eine Überhöhung des Priestertums und der Ruf nach weniger Klerikalismus überall auftauchen. Das hat auch unseren Blick noch mal geweitet.
Mit Sicherheit kommt auch dazu, dass vier von uns, darunter ja auch wir beide, Mitglieder der Vollversammlung des Synodalen Weges waren und auch da ganz neu noch mal einen Blick für gemeinsames Ringen in der Weltkirche gewonnen haben.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch Gespräche mit verschiedenen Dikasterien, mit Bischöfen in Rom geplant. Was erwarten Sie da? Die werden Ihnen wahrscheinlich nicht nur freundlich mit offenen Armen entgegen kommen.
Göbel: Genau deswegen machen wir es direkt in Rom. Weil es in der Tat im Moment ein etwas angespanntes Verhältnis zwischen der deutschen Kirche und Rom gibt. Das ist nicht zu verhehlen. Es geht uns nicht um eine Kampfansage, sondern eigentlich gerade um ein Gesprächsangebot.
Wir wollen deutlich machen, dass es diesen Beruf, den wir in Deutschland inzwischen sehr etabliert kennen, so in anderen weltkirchlichen Zusammenhängen in der Organisationsform nicht gibt.
DOMRADIO.DE: Die Weltsynode ist die erste Synode, wo es auch in Ausnahmefällen Stimmrecht für Laien geben wird. Begrüßen Sie das?
Göbel: Also ich begrüße das auf jeden Fall. Gleichzeitig ist es nach wie vor kritisierbar. Oder man könnte sagen, das sind im Verhältnis noch viel zu wenig Laien-Stimmen.
Nichtsdestotrotz glaube ich, ist es der richtige Weg und es ist ein guter Anfang, dass sich nicht mehr nur die geweihten Bischöfe untereinander treffen, sondern dass es auch stimmberechtigte Mitglieder gibt, die Laien sind, die aus unterschiedlichen Teilen der Erde kommen und eben auch Frauen.
Bischoff: Wir merken in der Vorbereitung ja gerade, dass es auch die nicht bischöflichen Mitglieder der Synode sind, die sich mit uns in Rom noch mal vernetzen wollen, ins Gespräch kommen wollen.
Allerdings zeigt sich hier die Frage: Worum geht es bei Synode? Um Mitberaten oder Mitentscheiden? Trotz des Entscheidungsrechts der Laien in Rom bleibt am Ende alles am Papst. Und wir sehen in der unterschiedlichen Einschätzung zum Beispiel von Bischof Bätzing und Bischof Oster im Rahmen der Vollversammlung der Bischofskonferenz in diesem Herbst, wie unterschiedlich man das bewerten kann. Aber hier gilt: Auf den Weg machen.
DOMRADIO.DE: Was können Laien als Theologen besser? Warum sollten sie mehr Gewicht in der Kirche bekommen?
Göbel: Ich glaube es geht nicht darum, was Laien besser können. Das ist sicher eine persönliche Komponente. Aber was Laien auf jeden Fall mit einbringen können, ist genau der nicht-klerikale Blick aufs Leben. Wir leben in sehr verschiedenen Lebensformen und haben dementsprechend auch persönlich Erfahrungen mit bestimmten Lebenssituationen, die ein Priester einfach qua Ordnung, wie er zu leben hat, nicht hat. Was ihn nicht unbedingt inkompetent an der Stelle macht oder weniger kompetent.
Aber nichtsdestotrotz dient es einfach der Vielfalt von Sichtweisen und Lebensentwürfen, dass alle möglichen Themen, alle möglichen Lebensformen auch theologisch reflektiert und durchdacht werden und zugleich ein solches Angebot erfahren.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.