Dürre. Ein Wort, das die meisten immer noch eher mit Afrika verbinden als mit hiesigen Regionen. Dennoch: Im Hochsommer lassen sich inzwischen mitunter Rheininseln zu Fuß erreichen; Bäche und kleine Flüsse fallen trocken. Im Nachbarland Frankreich bedroht Trockenheit inzwischen sogar schon das Kulturerbe.
Risse in Wänden und Gewölbe
Wiederholte Dürreepisoden greifen still und leise religiöse Gebäude an, schwächen ihre Struktur. Zuletzt mussten mehrere Kirchen ihre Türen wegen Rissen im Mauerwerk schließen, wie die Zeitung "La Croix" berichtet. Experten sehen die Ursache dafür im Rekord-Regenmangel des Sommers 2022.
Beispiel Tourrette-Levens in den Seealpen: Seit Dezember zeigten sich immer mehr Risse in Wänden und Gewölbe der Kirche Sainte-Rosalie. Ende März ordnete Bürgermeister Bertrand Gasiglia die Schließung des Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert an; aus Sicherheitsgründen. Dank einer Stabilisierung und eines Gerüsts ist das Mittelschiff der Kirche zwar inzwischen wieder geöffnet. Die Seitenschiffe aber bleiben weiter gesperrt.
Tonprobleme
In Saramon, einem kleinen Dorf im ländlichen Departement Gers westlich von Toulouse, führte die Trockenheit Mitte März vermutlich zum Einsturz des mittelalterlichen Turms der Kirche Saint-Pierre. In den frühen Morgenstunden brach er binnen Sekunden zusammen; immerhin gab es keine Todesopfer.
Ein Problem ist laut Experten in längeren Trockenperioden das Schrumpfen und Wiederaufquellen von Ton im Boden. Dieser unterirdische Prozess kann dazu führen, dass die Struktur von Gebäuden leidet; Risse entstehen. Und: Jedes Material reagiertunterschiedlich auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Auch so kann es an Kontaktstellen verschiedener Materialien zu Rissen kommen.
Fehlende Fundamente
Größere Probleme gibt es mit Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert. Damals mussten Kirchen vergleichsweise schnell gebaut werden, um die Zerstörungen während der Französischen Revolution und das Bevölkerungswachstum in den Städten aufzufangen. Fehlende Fundamente und wenig Qualität bei den Bau-Materialien bedeuten heute weniger Stabilität.
Schwer vorzustellen, woher all das Geld für kostspielige Bodenanalysen und Renovierungen herkommen soll. Hinzu kommen noch Inflation und steigende Preise für Baumaterial. In der 370-Einwohner-Gemeinde Nuzejouls im Departement Lot etwa fallen Ziegel der Dorfkirche aus dem 12. Jahrhundert herab. Stadträtin Brigitte Dessertaine befürchtet, dass sich der Lehmboden unterhalb der Kapellen während der Dürre 2022 zusammengezogen hat. Ein Antrag auf Kostenerstattung eines Bodengutachtens infolge von Dürreschäden ist zwar gestellt. Die Antwort der Behörden steht allerdings seit über einem halben Jahr aus.
Spendenkampagne von Macron
"Wenn ich die Kirche wieder öffne und das Gewölbe während der Messe einstürzt, dann gehe ich ganz sicher wegen Totschlags insnächstgelegene Gefängnis", sagt die Stadträtin. Im knapp 100 Kilometer entfernten Pompignan (Tarn-et-Garonne) war 1991 genau dasgeschehen; sieben Menschen starben beim Einsturz einer Kirche.
Immerhin: Die große Politik hat das Problem inzwischen in den Blick genommen. Pünktlich vor dem Papstbesuch in Marseille am kommenden Wochenende (22./23. September) kündigte Staatspräsident Emmanuel Macron eine umfangreiche Spendenkampagne für den Erhalt maroder Kirchengebäude in Frankreich an. Die meisten der mehreren tausend als baufällig geltenden Gotteshäuser gehörten kleinen Gemeinden, die kein Geld für eine Sanierung hätten. Ziel sei, binnen vier Jahren 200 Millionen Euro für diesen Zweck zu sammeln, so Macron bei der Ankündigung am Freitag im burgundischen Semur-en-Auxois.
Viele Dorfkirchen werden Denkmäler
Frankreichs Präsident folgt damit seinem eigenen Zeitplan. Bei einem Besuch am Mont-Saint-Michel Anfang Juni hatte er angekündigt, wesentlich mehr Dorfkirchen als bisher als historische Denkmäler einzustufen. Denn damit besteht die Möglichkeit, von einemstaatlichen Zuschuss zu profitieren, der bis zu 50 Prozent des Renovierungsbetrags ausmachen kann.
Immer wieder hat Macron das Kulturerbe Frankreichs zu einer Priorität seiner Kulturpolitik erklärt. Sein Umfeld erinnert an einen 350 Millionen teuren Sanierungsplan für die Restaurierung von Denkmälern und Kathedralen; an die 2017 ins Leben gerufene Kulturerbe-Lotterie, mit der gefährdete Monumente unterstützt werden; und an seinen persönlichen Einsatz zum Wiederaufbau nach dem Großbrand von Notre-Dame. Diesen Elan in der Bevölkerung gelte es auch für die Restaurierung von Dorfkirchen weiterzutragen. Dafür verzichtet der französische Staat auch auf Einnahmen: Die Steuerlast auf Spenden für das Kulturerbe soll um 75 Prozent reduziert werden - allerdings einmalig und auf 1.000 Euro gedeckelt.
Bestandsaufnahme bis 2030
Der Senat hat zudem 2022 eine systematische landesweite Bestandsaufnahme und Kartierung religiöser Gebäude bis 2030 verlangt. Und auch Frankreichs Bischöfe wollen noch im September den Startschuss für eine eigene Initiative geben. Alle Bistümer Frankreichs sollen bis Anfang 2024 die Verzeichnisse, Kataloge, Inventare ihrer Fachkommissionen auf nationaler Ebene zusammenführen und vereinheitlichen.
Mit der gemeinsamen Kenntnis von Zahlen und Akteuren soll auch die große Menge an Expertise vor Ort besser nutzbar werden. Dies empfiehlt sich nicht nur angesichts der stetig zunehmenden Diebstähle und Vandalismus-Fälle. Auch die Frage alternativer, kirchennaher Nutzungen von Gebäuden soll so mehr Perspektive bekommen, auch wirtschaftlich.