Roboter, die an die Tabletteneinnahme erinnern. Oder Roboter als Gesprächspartner: Medizinethiker Robert Ranisch plädiert bei Robotik in der Pflege für mehr gesellschaftliche Gelassenheit.
"Wir sollten das nicht zu fatalistisch sehen", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in einem am Montag veröffentlichten Gespräch. Viele hätten schnell ein Science-Fiction-Bild vor Augen "von einer universell einsetzbaren, menschenähnlichen Maschine, die rumfährt und allerlei Tätigkeiten verrichtet."
Automatisierungen in der Pflege
Dabei gehe es grundsätzlich um alles, "was in der Pflege und darum herum automatisiert werden kann", so Ranisch weiter. "Wir werden mehr Technologie in der Pflege brauchen. Das hat mit technischer Faszination nichts zu tun. Die Herausforderung angesichts von fünf Millionen pflegebedürftigen Menschen ist real", so Ranisch. "Wir kommen nicht zu dem Punkt zurück, wo alle Generationen unter einem Dach leben."
Der Forscher organisiert für April an der Universität Potsdam eine Bürgerkonferenz zum Thema "Robotik in der Pflege". Dabei sollen Bürger zusammen ausloten, was hilfreich und gleichzeitig ethisch vertretbar ist. Pauschale oder einfache Antworten gebe es hier nicht, so Ranisch. "Im Idealfall aber werden durch Robotiksysteme Routineaufgaben wegorganisiert, so dass Pflegekräften mehr Zeit für zugewandte Pflege bleibt."
Drei Bereiche für Pflegeroboter
Die Konferenz ist Teil des Projekts "E-cARE". Ein Team aus Medizinethikern entwickelt hierzu für das Bundesministerium für Gesundheit eine Ethikleitlinie zur angemessenen Nutzung von technischen Assistenzsystemen.
Grundsätzlich gibt es laut Ranisch drei Systemtypen: einen Roboter, der physische Arbeit übernehmen kann, etwa Wasserflaschen transportieren. Einen, der zum Monitoring eingesetzt wird, um etwa auf einen Sturz hinzuweisen oder an Tabletteneinnahme zu erinnern. Und einen, der soziales Interaktionsgeschehen simulieren kann. Dies sei auch der Bereich, in dem es die größte Sorge gebe, dass "echte Nähe wegautomatisiert wird", sagt der Forscher.
Das Maß ist entscheidend
Als Beispiel hierfür nannte er die Robbe Paro, einen Roboter, der wie ein echtes Tier quietscht, gestreichelt werden kann und zu Beruhigungszwecken eingesetzt wird. Dies könne man einerseits kritisch bewerten, wenn etwa ein Demenzkranker nicht bemerke, dass es sich nicht um ein echtes Tier handele.
Auf der anderen Seite seien Scheinwelten in Seniorenheimen bereits üblich: Dabei würden Demenzkranke etwa durch Pseudo-Bushaltestellen oder Fototapeten mit Bäumen, die einen Wald simulierten, bewusst einem fiktiven Szenario ausgesetzt.
"Menschen können sich auch von Maschinen schnell emotional mitreißen lassen. Das ist bei einem Roboter nicht viel anders als beim Fernsehen. Auch dort tauchen Menschen in Scheinwelten ab. Wie so häufig, ist das Maß hier entscheidend", so Ranisch.
Noch in den Kinderschuhen
Tatsache sei, dass robotische Systeme in der Pflege noch in den Kinderschuhen steckten. "Es gibt bisher kein Pflegeheim in Deutschland, wo robotische Systeme Gamechanger sind", sagt der Experte. "Die Realität sieht so aus, dass sie bereits daran scheitern, über eine Teppichkante zu fahren. Oder dass sie einfach verstauben, weil niemand sie warten kann oder das W-LAN mal wieder nicht funktioniert."