Meinungsforscher beleuchtet Motive christlicher Trump-Wähler

Trump, der Glaube und die Wählerschaft

Weiße Protestanten und Katholiken tendieren im US-Wahlkampf zu Donald Trump. Hierzulande sorgt das für Unverständnis über fast das gesamte politische Spektrum hinweg. Ein renommierter US-Religionsforscher zeigt mögliche Gründe auf.

US-Präsident Donald Trump hält eine Bibel während er die St. John's Episcopal Church besucht / © Patrick Semansky (dpa)
US-Präsident Donald Trump hält eine Bibel während er die St. John's Episcopal Church besucht / © Patrick Semansky ( dpa )

DOMRADIO.DE: Donald Trump hat nicht viel mit Wohlfahrt oder Nächstenliebe am Hut. Warum wählen ihn so viele weiße Protestanten und Katholiken?

Alan Cooperman (Direktor für Religionsforschung am Pew Research Center): In den Vereinigten Staaten neigen religiöse Menschen dazu, politisch konservativer zu sein und eher den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen. Das ist schon lange so. Das ist insbesondere bei weißen Amerikanern der Fall, bei hispanischen und asiatischen Amerikanern ist das etwas weniger ausgeprägt, bei schwarzen Amerikanern ist das überhaupt nicht der Fall. Afroamerikaner neigen dazu, die Demokraten zu wählen, unabhängig vom Grad ihrer Religiosität. Dabei sind Afroamerikaner im Großen und Ganzen eine ziemlich religiöse Bevölkerung.

DOMRADIO.DE: Was weiß man noch?

Cooperman: Bei weißen Protestanten handelt es sich um einen der religiösesten Teile der christlichen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten. Sie haben bei allen jüngsten Wahlen republikanische Kandidaten mit einem Vorsprung von etwa drei oder vier zu eins unterstützt. Sogar dann, als der der republikanische Kandidat ein Mormone war, Mitt Romney, obwohl das vielen nicht gefallen hat. Und sie geben nun auch Trump ihre Unterstützung.

Alan Cooperman

"Die religiösen Menschen, die Trump unterstützen, betrachten ihn nicht als hochreligiösen Menschen."

DOMRADIO.DE: Und daran ändert auch nichts, dass der republikanische Kandidat im Jahr 2006 wahrscheinlich seine Frau mit einer Pornodarstellerin betrogen hat oder er seinen politischen Gegnern wünscht "in der Hölle zu brennen“, so wie er es in seiner vergangenen Weihnachtsansprache tat. Das klingt nicht sehr christlich. 

Cooperman: Die religiösen Menschen, die Trump unterstützen, betrachten ihn nicht als hochreligiösen Menschen. Im Allgemeinen scheinen sie sich der Dinge bewusst zu sein, über die Sie gerade gesprochen haben. Aber sie betrachten ihn dennoch als ihren politischen Verbündeten. In unseren Umfragen sagen sie, dass er jemand sei, der sich für Menschen wie sie einsetzt. Für Menschen mit religiösen Überzeugungen. Das scheint der Hauptgrund zu sein, weshalb sie ihn unterstützen. 

DOMRADIO.DE: Welche Themen bewegen die Wähler noch?

Cooperman: Für viele ist neben dem Thema Wirtschaft auch noch das Thema Einwanderung wichtig. Außerdem ist die Bedeutung des Themas Abtreibung deutlich gestiegen. Für beide Seiten. Auch für die liberalen Amerikaner, die das Recht der Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, wiederherstellen oder beibehalten wollen.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt generell die Religion im Wahlkampf?

Cooperman: Religion ist nur eine von mehreren Kräften, die bei dieser Wahl eine Rolle spielen. Es ist wirklich sehr schwierig, genau zu entschlüsseln, in welchem ​​Ausmaß die Religion die Politik der Menschen bestimmt. 

Alan Cooperman

"Religion ist nur eine von mehreren Kräften, die bei dieser Wahl eine Rolle spielen."

Der Konsens unter Politikwissenschaftlern und Soziologen in den Vereinigten Staaten besteht heute darin, dass die religiösen Ansichten der Menschen ihre politischen Ansichten bestimmen und umgekehrt. Religion ist aber nur eine einzelne Variable, die Menschen in eine bestimmte Richtung treibt.

DOMRADIO.DE: Was ist ist wichtig für die Wähler von Harris?

Cooperman: Vielen Harris-Wählern sind die Themen Gesundheitsversorgung, Abtreibung und die Ernennungen der Richter beim Supreme Court wichtig. Natürlich steht auch die Wirtschaft ganz oben auf der Prioritätenliste.

DOMRADIO.DE: Sind die Wähler, insbesondere Christen, die Trump unterstützen, nicht heuchlerisch? 

Cooperman: Unsere Umfragen sind in gewisser Weise relativ einfach. Wir fragen die Menschen, wen sie unterstützen, und wir fragen nach den Themen, die ihnen wichtig sind. Im Laufe der Zeit haben wir auch versucht, auf diese Frage einzugehen. Ich glaube im Allgemeinen nicht, dass Menschen sich selbst für heuchlerisch halten, sondern vielmehr, dass andere Menschen sie für heuchlerisch halten. 

Wenn wir versuchen die Motivation des Wählerverhaltens zu verstehen und die Bevölkerungsgruppen fragen - insbesondere weiße Evangelikale und weiße Katholiken, also zwei Gruppen, die in der amerikanischen Öffentlichkeit groß und stark republikanisch geprägt sind und derzeit mit deutlichem Abstand zu Trump tendieren - dann sagen sie, dass sie der Meinung seien, dass Trump für ihre religiösen Überzeugungen kämpft. Das ist aus deren Sicht keine Heuchelei.

Denken Sie daran, dass Trump Mitglieder des Obersten Gerichtshofs ernannt hat, die die wichtige Abtreibungsentscheidung 'Roe gegen Wade' aufgehoben haben. Er hat sich mehrfach auch zu anderen Themen geäußert, die für Konservative und insbesondere für konservative Christen von Bedeutung sind. Er hat sich mit einigen konservativen christlichen Führern getroffen und bekommt von ihnen Unterstützung. Also sehen sie ihn als Verbündeten, obwohl sie ihn nicht als hochreligiösen und moralisch integren Menschen sehen.

Das Interview führte Clemens Sarholz.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
DR