DOMRADIO.DE: Seit fast einer Woche sendet das Ahrtalradio. Das Programm kommt direkt aus einem kleinen improvisierten Studio in einem Pfarrhaus in Bad Neuenahr-Heppingen. Wie kam die Kirche ins Spiel?
Christian Milling (Ahrtalradio): Das war zufällig. Wir haben erst einmal einen Sendestandort gesucht. Vielleicht kennt man diese Maria-Hilf-Kapelle, wenn man die Autobahn 61 über die Talbrücke fährt. Die steht da ganz exponiert auf der Landskrone. Das wird von einem Verein betreut und ist ein idealer Standort für eine Antenne.
Da haben wir die Herren gefragt, ob die vielleicht nicht irgendwo noch einen Raum haben, wo wir ein Studio reinbauen können, weil wir schon von hier senden wollen. Dann wurde das im Pfarrbüro geklärt und so kam die Jungfrau zum Kinde oder das Radio zum Studio.
DOMRADIO.DE: Und der erste Gottesdienst wird dann am Sonntag übertragen.
Milling: Genau. Das Schöne ist, dass die Kirche ja genau neben uns ist. Das Pfarrbüro ist an die Kirche angebaut. Wir brauchen also nur einmal ein Kabel rüber zu werfen und übertragen dann Sonntag ab 9.30 Uhr.
DOMRADIO.DE: Helfende Hände werden überall gebraucht und es gibt noch sehr viel zu tun, bis die Menschen in den betroffenen Gebieten wieder nahezu so leben können wie vorher. Was bringt da das Radio? Also warum haben Sie das Radio ins Leben gerufen?
Milling: Die mediale Berichterstattung geht zurück. Es gibt in Bad Neuenahr-Ahrweiler, in der Region kein lokales Radio. Dort sind die öffentlich-rechtlichen und privaten landesweiten Programme zu empfangen. Und das Thema Ahrtal ist für den Hörer in Landau, in Ludwigshafen oder in Trier irgendwann nicht mehr in der Tiefe interessant, wie es für die Menschen vor Ort interessant ist.
Man macht zwar jetzt Dokumentationen über die Flutnacht, aber konkrete Hilfe, woher bekomme ich einen Stromgenerator, wo werden Elektriker gesucht, werden weniger thematisiert. Da versuchen wir in die Lücke einzuspringen. Und es wird auch sehr gut angenommen.
Viele sagen: "Leute, ihr könnt am 3.10. eigentlich nicht aufhören. Dann kommt die kalte Jahreszeit. Wir werden wahrscheinlich den Winter ohne Gas verbringen. Die Heizungen werden nicht laufen, die Umversorgung geht so lala. Aber dann haben wir vielleicht irgendwas, was uns zumindest das Gefühl gibt, wir werden nicht völlig vergessen."
DOMRADIO.DE: Wenn man bei Ihnen auf die Internetseite guckt, da gibt es News, eine Pinnwand, Musikwünsche. Was hört man, wenn man das Ahrtalradio einschaltet?
Milling: Wir spielen Popmusik der letzten 50 Jahre, weil wir versuchen wollen, kein dezidiertes Programm für Ältere zu machen, aber auch keins nur für Junge, sondern so eine "Middle of the road"-Geschichte, dass wir möglichst viele ansprechen; Musik, die verbindet, Musik, die auch ein bisschen motiviert. Es sind kölsche Töne dabei, die spielen auch im Ahrtal eine Rolle.
Wir haben eine Musikwunschsendung, die gut angenommt, wo Helfer und Betroffene sich gegenseitig grüßen. Auch Grüße von außerhalb kommen von Leuten, die in der Vergangenheit im Ahrtal bereits geholfen haben. Wir haben einen Rechtsexperten, der mal auf die Dinge guckt, wenn die Versicherung versucht, einen ein bisschen zu ärgern, wo man sich Tipps einholen kann, wie man zukünftig seine Versicherungen aufstellen sollte, um möglichst gut abgesichert zu sein.
Also wir gucken, dass wir Themen haben, die für die Menschen im Ahrtal wichtig sind.
DOMRADIO.DE: Werbung ist ja häufig nervig, aber auch die ist bei Ihnen besonders.
Milling: Genau. Die Menschen sollen eine Möglichkeit haben zu sagen: "Hey, unsere Firma gibt es vielleicht gerade nicht oder wir bieten gerade unsere Produkte im kleinen Rahmen an." Von daher schenken wir betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern 60 Spots während dieses Monats, auf die sie sich dann bewerben können.
Wir bieten aber auch Firmen an, die nicht betroffen sind, regulär Werbung zu buchen. Alles, was an Überschüssen aus diesen Werbeeinnahmen generiert wird, werden wir dann auch wieder direkt an die Fluthilfe zurück spenden. Es ist quasi eine Hilfssammelaktionen, eine Spendenaktion über Werbung generiert.
DOMRADIO.DE: Sie kriegen viel mit, erleben viele betroffene Menschen. Was ist das Wichtigste für diejenigen, die mit den Folgen der Flutwelle und des Hochwassers gerade zu kämpfen haben?
Milling: Sie nicht allein zu lassen. Die Helferzahlen werden weniger. Wenn es Leute gibt, die Elektriker sind und einen Stromkasten wieder fit machen können oder Heizungsbauer sind, die helfen können, dann fahrt ins Ahrtal. Die Menschen brauchen eure Hilfe. Die Politikverdrossenheit ist groß und ich glaube, wir schaffen das da alle nur zusammen, wenn wir gemeinsam anpacken.
DOMRADIO.DE: Sie machen Radio für die Leute im Ahrtal mitten aus dem Ahrtal für alle, die einschalten wollen. Wie kann man es empfangen?
Milling: Vor Ort auf UKW 107,9 haben wir unsere große Frequenz, die die Grafschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler abdeckt. Wir haben auch noch verschiedene kleine Füllfrequenzen, weil die Ahr ja ziemlich durch das Tal mäandert und Berg und Tal für UKW-Wellen natürlich nicht besonders gut sind.
Wir haben in Dernau im Kirchturm noch eine Frequenz. In Mayschoß und in Altenahr kommen an diesem Wochenende noch Stützfrequenzen hinazu, sodass man uns hören kann und natürlich weltweit auf www.ahrtalradio.de als Livestream.
Das Interview führte Katharina Geiger.