Wenn Dietrich Bonhoeffer auf Filmplakaten mit Pistole in der Hand dargestellt wird, ist das laut dem Essener Generalvikar Klaus Pfeffer eine "absurde Fehlinterpretation". In einer Mitteilung des Bistums Essen erklärte der Bonhoeffer-Experte am Montag, Evangelikale und rechtspopulistische Kreise missbrauchten Bonhoeffer inzwischen "sogar für ihre Hetze gegen den freiheitlich-demokratischen Staat". Bonhoeffer sei dagegen ein überzeugter Pazifist gewesen.

Weiter sagte Pfeffer, der evangelische Theologe Bonhoeffer, der am 9. April vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, habe stets danach gefragt, was sein Glaube für das konkrete Leben bedeute. So habe er früh wahrgenommen, welche Gefahren vom Nationalsozialismus ausgegangen seien. Er sei schnell zu der Überzeugung gelangt, "dass die braune Ideologie mit dem Christentum nicht vereinbar war".
Deshalb habe er in seiner eigenen Kirche für eine klare Haltung gekämpft - entgegen deren Mehrheitsmeinung. Bonhoeffer sei davon überzeugt gewesen, dass ein Christ angesichts der NS-Verbrechen Verantwortung übernehmen und etwas tun musste, "was ihn in schwere Konflikte bringt, was ihn schuldig werden lässt und sogar das Leben kosten kann".
Kritik auch vom bayrischen Innenminister
Bei einer Tagung zu Bonhoeffer in Flossenbürg, kritisierte auch der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine Instrumentalisierung Dietrich Bonhoeffers durch Extremisten. Dies teilte die Evangelische Akademie Tutzing mit, die die Tagung abhält. "Für mich ist das eine Schande", so Herrmann. Ihn empöre der Versuch, Widerstandskämpfer wie Bonhoeffer als Fürsprecher für verqueres Denken zu vereinnahmen, sagte Herrmann am Montag im bayerischen Flossenbürg. Im dortigen KZ wurde der evangelische Theologe am 9. April 1945 hingerichtet.
Bonhoeffer sei eine feste Größe, an der man sich orientieren könne, sagte Herrmann weiter. Bonhoeffer stehe für die besten Eigenschaften des Menschen: Selbstlosigkeit, Wahrheitsliebe und Rechtschaffenheit.
Seine Werte hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes inspiriert, einen Staat zu schaffen, der den höchsten Idealen und der Freiheit des Gewissens verpflichtet sei, fügte der Innenminister hinzu. Es sei an der heutigen Gesellschaft, diesen Staat zu verteidigen. Herrmann warb dafür, Vertrauen in die Stärke der Demokratie zu haben und sich nicht von Zynismus und Spaltung anstecken zu lassen.
"Märtyrer für ein anderes Deutschland"
Extremisten und Nationalisten, die Bonhoeffer für ihre Zwecke missbrauchten, stünden im Widerspruch zu seiner Menschlichkeit, zu seiner alle Menschen aller Nationen umfassenden Geschwisterlichkeit, betonte Herrmann. Die demokratische Gesellschaft sei es den "Märtyrern für ein anderes Deutschland" schuldig, ihr Andenken zu wahren und zu schützen und "allen entgegenzutreten, die unsere Demokratie, unser Grundgesetz und damit die unverbrüchliche Menschenwürde verachten", so der Innenminister. Dazu zählten Neonazis und Antisemiten, Stalinisten und Islamisten.
Liebe ohne Unterschiede
Gegen die Demokratiegegner wendet sich auf der Essener Generalvikar. "Religiöse Fanatiker, ideologische Fundamentalisten und populistische Extremisten können sich nicht auf Bonhoeffer berufen - und auf Jesus Christus schon gar nicht." Bonhoeffer sei ständig auf der Suche danach gewesen, was der Wille Gottes jeden Tag neu bedeute. "Er wusste, dass das Leben viel zu komplex ist, um es mit einfachen Wahrheiten verstehen und leben zu wollen."
Eines aber sei für ihn eindeutig gewesen: "Gott ist die Liebe und er liebt wirklich jeden einzelnen Menschen - ohne Unterschied und ohne Grenzen", so Pfeffer. Deshalb wolle Gott, dass Christen die Verbundenheit unter den Menschen und Völkern in dieser Welt suchen.
Ein neuer Film über Bonhoeffer kam Ende März in die deutschen Kinos. Dieser war bereits bei seinem US-Start im Herbst 2024 von Theologen und Bonhoeffer-Nachfahren scharf kritisiert worden. Unter anderem warfen sie christlichen Nationalisten vor, den NS-Widerstandskämpfer zu vereinnahmen.