Minister Wissing reflektiert über Glauben und Politik

Vom Calvinismus zum Liberalismus

Volker Wissing steht vor dem Ende seiner politischen Karriere. Sein Denken und Tun sei von seiner religiösen Haltung geprägt. Pflichtbewusstsein werde groß geschrieben. Welche Rolle spielt die Religion in seiner Lebensphilosophie?

Geht parteilos ins neue Jahr: Verkehrs- und Bundesjustizminister Volker Wissing. / © Kay Nietfeld/dpa (dpa)
Geht parteilos ins neue Jahr: Verkehrs- und Bundesjustizminister Volker Wissing. / © Kay Nietfeld/dpa ( (Link ist extern)dpa )

Volker Wissing (54), noch amtierender Bundesverkehrs- und derzeit auch Bundesjustizminister, ist nach eigener Aussage stark religiös geprägt. "Ich habe ein hohes Pflichtbewusstsein. Wahrscheinlich hängt das mit der religiösen Ausrichtung meiner Familie zusammen", sagte er der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag). "Ich bin im calvinistischen Umfeld aufgewachsen. Dort lehnt man Verantwortung nicht ab, man erfüllt seine Aufgaben."

Verantwortung und Freiheit

Ihm persönlich gehe es in seinem Leben einfach darum, zu fragen, was er einbringen könne, sagte der in Landau in der Pfalz geborene Jurist. "Daraus entsteht meine Zufriedenheit." Auf die Frage, was ihn zum Liberalen gemacht habe, sagte der Minister, der im November nach dem Bruch der Ampelkoalition aus der FDP ausgetreten war: "Ich glaube daran, dass die Freiheit des Einzelnen aus Toleranz entsteht. Das entspricht auch meiner Haltung als Christ."

Menschen seien unterschiedlich. Das zu akzeptieren, täten sich viele schwer. Sie neigten dazu, ihre Mitmenschen verändern und nach ihrem Bild erziehen zu wollen. Er empfinde das als anmaßend. "Menschen können sich ändern, sie können ihre Vorlieben ändern, aber es ist nicht meine Aufgabe, für sie ein Verbesserungsprogramm zu entwickeln." Natürlich habe jeder auch die Freiheit zur Verantwortung. "Das heißt, jeder muss seine Entscheidungen gegenüber sich selbst, aber auch anderen rechtfertigen. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt." Deshalb brauche eine Gesellschaft Regeln und einen Rahmen.

Wissing bezeichnet sich selbst als "Zukunftsoptimisten". Sein Konfirmationsspruch und Lebensmotto stamme aus dem Römerbrief des Apostels Paulus: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen." Wichtig sei eigentlich nicht, was im Leben passiere. "Sondern es ist wichtig, wie man damit umgeht. Das kann man selbst beeinflussen. Jede Situation ist eine Chance."

Herausforderungen in der Ampelkoalition

So hätten in der Ampelkoalition viele in der FDP in der Ampel Schwarz-Gelb hinterhergetrauert. "Mit dieser Einstellung löst man keine Zukunftsprobleme", betonte der Minister. Über sein Verhältnis zu seiner langjährigen Partei sagte Wissing, es habe in der FDP-Fraktion auch Fehlannahmen darüber gegeben, was Regieren bedeutet.

"Wenn Sie ein Ministeramt übernehmen, müssen Sie sich gerade am Anfang in viele Themen tief einarbeiten, viele Entscheidungen treffen. Man kann sich nicht in jeder Frage ständig detailliert mit der Fraktion absprechen. Man ist darauf angewiesen, dass die Fraktion einen für eine Weile trägt und dem Minister vertraut, das Richtige zu entscheiden. Die FDP-Fraktion hat das in Teilen nicht getan."

Der Jurist räumte Spannungen zwischen ihm und Teilen seiner Fraktion ein. "Ich wollte in der Ampel lösungsorientiert sein, anderen war die inhaltliche Abgrenzung von den Koalitionspartnern wichtiger."