DOMRADIO.DE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Pilgerreise zum Papst zu machen, um das Thema Missbrauchsaufarbeitung auf ganz andere Weise anzugehen?
Richard Kick (Sprecher des Betroffenenbeirats der Erzdiözese München-Freising): Eigentlich ist es schon eine Schnapsidee gewesen, dass man jetzt an höchster Stelle mal wirklich Bescheid geben und sagen müsste, was hier passiert und dass es so nicht weitergehen kann. Aus der Schnapsidee hat sich dann ein wirklicher Plan entwickelt, den wir jetzt seit vier Monaten minutiös vorgeplant und weiterverfolgt haben und stehen nun am Start.
DOMRADIO.DE: Das Motto heißt ja: "Wir brechen auf. Kirche bist du dabei?" Das heißt, Sie und Ihre Mitpilgernden haben jetzt der Kirche trotz ihrer brutalen Erfahrungen nicht den Rücken gekehrt?
Kick: Na ja, ich will es so sagen: Wir haben unseren Glauben nicht verloren. Glaube und Kirche ist ja nicht zwangsläufig eine Einheit. Gleichzeitig wollen wir natürlich jetzt unsere Stärke, unsere Klarheit beweisen und auf Augenhöhe mit den obersten Kirchenleuten -in dem Fall ist es Papst Franziskus- ein Wort sprechen; um klar zu sagen, dass es so nicht weitergehen kann, wie es bisher in den letzten mehr als zehn Jahren passiert ist.
DOMRADIO.DE: 15 Missbrauchsbetroffene und Begleiter radeln mit. Es geht auf dieser ganzen Reise auch um Begegnungen. Auf was für Begegnungen außer der mit Franziskus sind Sie besonders gespannt?
Kick: Besonders freuen wir uns, dass wir in Bozen auf den Bischof treffen und auf die Aufarbeitungseinheit, die sich dort gebildet hat. Bozen hat etwas ganz Besonderes geschafft, was wir hier in Deutschland noch nicht zustande gebracht haben: Südtirol hat den Landtag mit einer überwältigenden Mehrheit dazu bewegt, sich für Betroffene einzusetzen und eine staatliche Stelle einzurichten, die dezidiert aufarbeitet.
DOMRADIO.DE: Möchten Sie sich auch Anregungen holen, um der Aufarbeitung auch in Deutschland nach Ihrer Rückkehr noch mal mehr Anschub zu geben?
Kick: Ja, ganz sicher. Wir sind schon seit einigen Monaten im intensiven Austausch. Es ist nicht so, dass wir da Neuland betreten oder uns zum ersten Mal sehen. Aber natürlich wollen wir das intensivieren.
Unsere Botschaft ist es, eine Außenwirkung zu erzielen. Das heißt, dass die Gesellschaft, auch der Staat, die Politik und zuletzt natürlich auch die Kirche sieht, dass wir in der Lage sind, konstruktiv zu denken und Pläne zu schmieden, wie es weitergeht.
DOMRADIO.DE: Und ist dieses Stärke zeigen auch dadurch sichtbar, dass Sie 1.000 Kilometer Fahrrad fahren?
Kick: Ja, na gut. Im Zeitalter des E-Bikes lassen sich auch solche Entfernungen doch relativ komfortabel erledigen. Also, ich habe mir eines gekauft. Es gibt ein paar, die natürlich auch mit E-Bike kommen. Aber es ist schon eine Leistung. Das sind, denke ich, etwa 80, 90 oder 100 Kilometer auf dem Tacho. Das heißt, das ist schon auch eine Herausforderung für uns, das auszuhalten. Aber auch da gibt es Möglichkeiten und Schutz.
Aber wir wollen damit Stärke dokumentieren. Vor allen Dingen wollen wir auch anderen Betroffenen Mut machen, aufzustehen und sich zu bewegen und auf uns zuzugehen, und auf die Diözesen hier in Bayern.
DOMRADIO.DE: Sie müssen nicht nur Ihren persönlichen Bedarf mitnehmen, Sie bringen dem Papst auch ein Kunstwerk mit. Was ist das für ein Kunstwerk?
Kick: Ich war der Ansicht, wir sollten nicht nur einen Brief mitbringen oder persönlich da auftauchen, sondern wir sollten auch ein Symbol mitbringen. Und welch schöneres und besseres Symbol gibt es für die menschliche Kommunikation, das menschliche Zusammensein als ein Symbol der Liebe, ein Herz.
Das Herz ist nicht ein Herz mit Rot und Pfeil durchbohrt, so wie man es als Liebes-Symbol herkömmlich kennt, sondern es ist ein zerklüftetes Herz. Das ist ein zerrissenes Herz. Es ist ein Kunstwerk, das die Transparenz zeigt, die sie im Herzen haben, wenn sie einfach lange leiden mussten. Und das werden wir mitbringen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.