Missbrauchsbetroffener wirft Kirche Mafiamethoden vor

"Atemberaubende Unverfrorenheit"

Nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie aus dem Erzbistum Freiburg vergleicht Matthias Katsch, Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", das Vorgehen der katholischen Kirche mit organisierter Kriminalität der Mafia.

Matthias Katsch, Sprecher der Initiative Eckiger Tisch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Katsch, Sprecher der Initiative Eckiger Tisch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg

Die Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: "Sie wurden allein gelassen."

Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )

Seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals vor 13 Jahren hätten "die Bischöfe weitestgehend verhindert, dass die Verbrechen der Täter und das zweite Verbrechen, das der Vertuschung, von staatlicher Seite untersucht und aufgeklärt werden", schreibt Katsch in einem Kommentar in der aktuellen Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel".

Es sei "mit offensichtlich hoher krimineller Energie und Raffinesse, teilweise über Grenzen hinweg durch eine mächtige Institution systematisch Täterschutz betrieben und die Justiz offenbar bewusst getäuscht" worden.

Katsch fordert "Wahrheitskommission" für Missbrauchsskandal

Der Vertreter der Missbrauchsbetroffenen fordert in seinem Kommentar den Bundestag auf, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Diese soll laut Katsch die Archive sämtlicher deutscher Diözesen durchsuchen und auswerten. "Wir brauchen jetzt eine Wahrheitskommission, die den katholischen Missbrauchsskandal aufklärt!"

Die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) habe sich bereits 2010 für einen Vermittlungsprozess zwischen Betroffenen und Täterorganisation eingesetzt.

Bericht wirft Zollitsch Versäumnisse und Vertuschung vor

Zollitsch, seinerzeit Freiburger Erzbischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, habe empört auf diese Forderung reagiert: "Er wagte es sogar, der Ministerin ein Ultimatum für eine Entschuldigung zu stellen, und kam damit durch." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe interveniert und ihre Ministerin sei zurückgerudert", schreibt Katsch im "Spiegel" weiter.

Der knapp 600 Seiten lange Bericht der "Arbeitsgruppe Machtstrukturen und Aktenanalyse" wirft Zollitsch und seinem Amtsvorgänger in Freiburg, Oskar Saier, schwere Versäumnisse und eine konkrete Vertuschung von Missbrauchstaten vor. Akten seien versteckt oder vernichtet worden und die Meldung von Missbrauchsfällen unterblieben. Katsch nennt die Art, wie Zollitsch offenbar Öffentlichkeit und Politik hinters Licht geführt habe, "atemberaubende Unverfrorenheit".

Fragen und Antworten zur Freiburger Missbrauchsstudie

Was ist das Ziel der Studie?

Der Bericht will anhand von Fallbeispielen aufzeigen, wann, wie und warum es zu sexualisierter Gewalt durch Priester gekommen ist. Der von vier ehrenamtlichen Experten erstellte Bericht konzentriert sich auf die Verantwortung der Bistumsleitung. So sollen Strukturen offengelegt werden, die Missbrauch und dessen Verschleierung begünstigt haben.

Wer steht im Fokus?

Blick auf das Freiburger Münster und die Innenstadt von Freiburg. / © Harald Oppitz (KNA)
Blick auf das Freiburger Münster und die Innenstadt von Freiburg. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd