Als Papst Franziskus im März 2014 die päpstliche Kinderschutzkommission einrichtete, gab es viel Beifall außerhalb und auch innerhalb der katholischen Kirche. Die Kommission galt als weiterer Beleg dafür, dass Franziskus die Null-Toleranz-Strategie im Kampf gegen sexuellen Missbrauch gegen manche Widerstände in Vatikan und Weltkirche durchsetzen will.
Der am Mittwoch bekanntgewordene Rücktritt der Irin Marie Collins als Mitglied der Kommission bedeutet nun einen schweren Rückschlag. Denn Collins war de facto das letzte noch verbliebene Missbrauchsopfer in dem Gremium; das andere von ursprünglich zwei lässt sein Mandat bereits seit Februar 2016 ruhen. Noch brisanter macht die Personalie Collins' Motiv: "Frustration über mangelnde Kooperationsbereitschaft anderer Behörden der römischen Kurie", wie die Kinderschutzkommission selbst mitteilte.
Kritik an Glaubenskongregation
Von "aktivem Widerstand" gegen die verschärften Bestimmungen des Papstes im Kampf gegen sexuellen Missbrauch will auch Collins nicht sprechen. Sie habe eher den Eindruck, dass die Arbeit ihrer Kommission "von einigen als Einmischung empfunden wird", sagte die 70-jährige Irin der italienischen Tageszeitung "La Stampa" (Donnerstag).
Auf wen diese Kritik vor allem zielt, ist unschwer zu erraten: Die vatikanische Glaubenskongregation. Die von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller geleitete Behörde bearbeitet die meisten Missbrauchsfälle. "Das Fass zum überlaufen" brachte nach Collins' Aussage die Tatsache, dass die Glaubenskongregation im Januar ihren Vorschlag abgelehnt habe, auf Briefe von Missbrauchsopfern zu antworten. Besonders verärgert hatte die Irin zuvor auch, dass das vom Vatikan ursprünglich angekündigte Spezialgericht für Prozesse gegen Bischöfe, die im Kampf gegen Missbrauch zu nachlässig waren, nun doch nicht eingerichtet wurde.
Auch unter Bischöfen soll es Unmut über die Glaubenskongregation geben. Denn sie reagiert grundsätzlich nicht auf Nachfragen, ganz gleich ob sie von Opfern stammen, oder von Bischöfen, die einen Missbrauchsfall gemeldet haben und sich nach dem Stand des Verfahrens erkundigen wollen.
Stellenweise keine proaktive Zusammenarbeit?
Der Jesuitenpater Hans Zollner, einziges deutsches Mitglied der Kinderschutzkommission, lässt durchblicken, dass Collins mit ihrer Kritik auch in der Kommission nicht ganz allein steht. "Es gibt Stellen und Personen, von denen Marie und andere Mitglieder der Kommission den Eindruck haben, dass sie nicht proaktiv auf das reagieren, um was wir sie bitten, und was der Papst fordert", sagte der Direktor des Kinderschutzzentrums der Päpstlichen Universität Gregoriana am Donnerstag in Rom der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Zollner verweist jedoch drauf, dass es auch viele vatikanische Behörden gebe, die sehr gut mit der Kinderschutzkommission zusammenarbeiteten, etwa die Bischofskongregation und die Missionskongregation. Collins führte gemeinsam mit Zollner im vergangenen Jahr auf Einladung dieser beiden Behörden für 250 neue Bischöfe in Rom eine Fortbildung zum Thema sexueller Missbrauch durch. Zudem schulte sie auch Mitarbeiter der Kleruskongregation.
Solche Fortbildungen für vatikanische Behörden werde Collins auch weiter durchführen, so Zollner.
Rücktrittszeitpunkt denkbar ungünstig
Der Zeitpunkt von Collins' Rücktritt kommt aus vatikanischer Sicht denkbar ungünstig: In den vergangenen Tagen sorgten unbestätigte Medienberichte für Aufsehen, wonach sich Franziskus angeblich in einzelnen Missbrauchsfällen über das Votum der Glaubenskongregation für eine Entlassung der Täter aus dem Priesterstand hinweggesetzt habe; konkret soll er die Laisierung eines italienischen Priesters in eine lebenslange Entfernung aus der Seelsorge und Verpflichtung zu einer fünfjährigen Psychotherapie sowie zu lebenslanger Buße im Gebet umgewandelt haben.
Unabhängig vom Rücktritt Collins' gilt die Kinderschutzkommission in ihrer heutigen Form in Rom als Auslaufmodell - ihre Erprobungszeit endet im Dezember 2017. Man brauche eine andere Konstruktion, die eine effektivere Arbeit ermögliche, heißt es. Die Kommission hat keinen eigenen Mitarbeiterapparat und bezieht ihre Informationen über Missbrauchsfälle im Wesentlichen aus den Medien. Der Posten von Collins' wird deshalb voraussichtlich nicht nachbesetzt.