Am Karfreitag werden mehrere hundert Millionen Katholiken in allen Erdteilen beten: "Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will."
Der Unterschied ist beträchtlich, und er fällt auch theologischen Laien auf. Er ist das Ergebnis einer neuen liturgischen Vielfalt in der katholischen Kirche, die Papst Benedikt XVI. vor einem halben Jahr eingeführt hat: Die große Mehrheit der 1,1 Milliarden Katholiken hält sich weiterhin an den "ordentlichen" Ritus von 1970, dessen Juden-Fürbitte auch für jüdische Beobachter nicht anstößig wirkt. Und eine kleine Minderheit feiert ihre Gottesdienste nach dem "außerordentlichen", lateinischen Ritus von 1962, in dem nun gemäß dem Wunsch von Papst Benedikt XVI. für die Erleuchtung der Juden gebetet werden soll.
Seit Monaten absehbar
Dass der Papst eine solche neue Judenfürbitte formulieren musste, war seit Monaten absehbar. Als er im Sommer seinen Versuch startete, die von Rom distanzierten Traditionalisten in den Schoß der Kirche zurück zu holen, indem er allen Priestern erlaubte, auf Wunsch der Gläubigen Gottesdienste nach altem Brauch zu feiern, gab es eine Art Kollateralschaden: Ausgerechnet für den Karfreitag enthielt der alte Ritus Formulierungen, die für Juden verletzend wirken. Im traditionellen Ritus wurde nämlich für die Juden gebetet, dass Gott den "Schleier von ihren Herzen wegnehme", es war die Rede von ihrer "Verblendung" und von der "Finsternis", der sie entrissen werden sollten.
Rasch reagierten damals Rabbiner und Sprecher jüdischer Verbände. Sie sahen in der Wiederzulassung des alten Wortlauts einen Rückfall in mittelalterlichen Antijudaismus und warnten vor einer Abkühlung im jüdisch-christlichen Dialog. Der Papst bemühte sich um Schadensbegrenzung, seine Antwort war die neue Karfreitagsbitte für die Erleuchtung der Juden. Theologisch ist diese Neufassung für den traditionellen Ritus ein Mittelweg. Sie ist "konservativer" als der Text von 1970 - denn der ließ die Frage offen, auf welchem Weg Gott die Juden zum Heil führt. Und sie ist weniger polemisch als die alte Version von 1962, die von Verblendung und Finsternis sprach. Doch sie kehrt eindeutig zu der Aussage zurück, dass alle Menschen, also auch die Juden, nur über Christus zum Heil gelangen.
Ein Aufruf zur Judenmission ist dies dennoch nicht, wie Kardinal Walter Kasper - im Vatikan zuständig für die Kontakte zum Judentum - feststellte. Vielmehr greift das Gebet den Gedanken auf, dass die Rettung erst am Ende der Zeiten erwartet wird - an jenem Punkt der Geschichte, an dem sowohl Juden wie Christen die Erlösung erhoffen.
Theologische Feinheiten
Schon im Jahr 2000 hatte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger in einem Aufsatz über Juden und Christen geschrieben: "Da wir beide auf die endgültige Erlösung warten, wollen wir beten, dass unser Weg auf konvergierenden Linien verläuft."
Diese theologischen Feinheiten gehen derzeit in der Debatte um die neue Juden-Fürbitte des Papstes unter. Die Anti-Defamation-League und die italienische Rabbiner-Vereinigung haben bekundet, dass sie in dem neuen Text die alte katholische Bekehrungsabsicht gegenüber den Juden am Werk sehen. Das Time-Magazine brachte die Schlagzeile: "Juden und Vatikan - ein neuer Zusammenstoß". Grund zur Besorgnis hat die amerikanische Bischofskonferenz, die derzeit den für April geplanten USA-Besuch von Benedikt XVI. vorbereitet. Sie versicherte umgehend, dass sie "daran festhält, das Band der Freundschaft und des wechselseitigen Verständnisses mit der jüdischen Gemeinschaft zu vertiefen."
Mit dem alten Ritus ist Papst Benedikt den Traditionalisten entgegengekommen
Viel Wirbel um eine Fürbitte
"Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen". Dieser Satz wird, in lateinischer Sprache, am kommenden Karfreitag weltweit in einigen tausend katholischen Kirchen gesprochen werden - und sorgt im Vorfeld für einigen Wirbel. KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel über die Debatte zwischen Juden und dem Vatikan.
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