Mit Exerzitien ein bewusstes und gesünderes Leben führen

Die kirchliche Alternative zum Achtsamkeits-Trend

Wider dem hektischen Lebensstil: Achtsamkeit liegt im Trend. Durch einen trainierten Geist soll das Leben lebenswerter werden. Mit den Exerzitien bietet auch die Kirche dafür Methoden an – für ein besseres und gesunderes Leben.

Autor/in:
Johannes Senk
Teilnehmer knien mit gefalteten Händen im Meditationsraum des Geistlichen Zentrums Sankt Peter im Schwarzwald / © Harald Oppitz (KNA)
Teilnehmer knien mit gefalteten Händen im Meditationsraum des Geistlichen Zentrums Sankt Peter im Schwarzwald / © Harald Oppitz ( KNA )

Mehr Bewusstsein - für tägliche Tätigkeiten, die Zeiteinteilung, den Körper und die Seele. Achtsamkeit ist ein Trend, der in denen durch Krisennachrichten, ständige Erreichbarkeit sowie den selbst- und fremdgemachten Stress beschleunigten Alltag Ruhepole einbringen soll. Wer Achtsamkeit lebt, sich selbst bewusster wahrnimmt, der soll besser und entspannter mit dem stressigen Alltag umgehen können, ja, sogar ein fröhlicheres und intensiveres Leben haben.

Achtsamkeit liegt im Trend

In den Sozialen Netzwerken finden sich etliche Beiträge, von Menschen, die mehr Achtsamkeit predigen. Wer danach sucht, wird ebenso viele Anleitungen, Ratgeber und sogar Coaches finden, die Lehrstunden in Achtsamkeit erteilen. Die Übungen gehen von Yoga über autogenes Training bis hin zum Eintrainieren einfacher täglicher Routinen, etwa den morgendlichen Blick aufs Handy zu vermeiden oder bewusst die Schritte auf dem Weg zur Arbeit zu zählen.

Besucher im Garten des ehemaligen Klosters Memleben im Unstruttal / © Karin Wollschläger (KNA)
Besucher im Garten des ehemaligen Klosters Memleben im Unstruttal / © Karin Wollschläger ( KNA )

Dabei zeigt sich schnell, dass das Konzept sowie viele der Techniken alles andere als neu sind. Meditation und Atemtechniken etwa sind schon seit Jahrtausenden überlieferte Praktiken und bilden einen elementaren Bestandteil der buddhistischen Philosophie.

Selbstreflexion im Gebet

Und letztlich ist auch das christliche Gebet eine Form der Ruhe und Selbstreflexion. Das ist zwar keine innovative Feststellung, wirkt angesichts des allgemeinen Trends aber doch fast überraschend: So wie das Interesse an Methoden für Achtsamkeit steigt, so nimmt die Bindekraft von Kirche und Glaube in der Gesellschaft ab.

Dabei böten in der Kirche beheimatete Meditationspraktiken sehr gute Voraussetzungen für das Erlernen von mehr Achtsamkeit, etwa die Ignatiaschen Exerzitien. Die auf den Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola (1491-1556) zurückgehenden geistlichen Übungen beinhalten quasi alles, was es für einen achtsamen Lifestyle braucht. Das bereits Mitte des 16. Jahrhunderts veröffentlichte Exerzitienbüchlein des Heiligen und Ordensgründers enthält genaue Anleitungen für die geistlichen Übungen.

Geistliche Übungen

"Während es beim Sport und bei körperlichen Übungen um Wiedererlangung oder Erhaltung der Gesundheit geht, haben die geistlichen Übungen einen anderen Zweck, nämlich, das eigene Leben zu ordnen", erklärt Albert Holzknecht. Der Jesuit leitet das Exerzitienhaus Hoheneichen in Dresden. Bei den Exerzitien gehe es darum, "mehr Klarheit über die eigene Lebensgeschichte - auch mit ihren Schatten und Brüchen - zu bekommen, um aus einer vertieften Beziehung zu Jesus Christus persönliche Lebensentscheidungen treffen zu können".

Exerzitien werden zumeist im Gemeinschaft mit anderen Menschen und unter der Führung eines geistlichen Begleiters oder einer Begleiterin durchgeführt. Doch ist es laut Holzknecht auch für jeden Einzelnen möglich, die Übungen alleine und Zuhause durchzuführen. Allerdings empfiehlt der Experte, in diesem Fall dennoch täglich ein Begleitgespräch zu führen.

Teilnehmer eines Kurses zum "Geistlichen Begleiter" in Pfarrgemeinden im Geistlichen Zentrum Sankt Peter im Schwarzwald im Kreis und machen sich Notizen / © Harald Oppitz/ (KNA)
Teilnehmer eines Kurses zum "Geistlichen Begleiter" in Pfarrgemeinden im Geistlichen Zentrum Sankt Peter im Schwarzwald im Kreis und machen sich Notizen / © Harald Oppitz/ ( KNA )

Klassischerweise erstrecken sich die Ignatiaschen Exerzitien über einen Monat, den man in Ruhe und Abgeschiedenheit verbringt. Auch heute noch gibt es vereinzelt solche Exerzitien, doch hat sich das Angebot stark ausgeweitet, um auch den Menschen, die nicht die Möglichkeit eines 30-tägigen Rückzugs haben, eine Möglichkeit zur geistigen Übung einzuräumen.

Jeder kann Exerzitien machen

So bieten viele Pfarrgemeinden und kirchliche Einrichtungen zu bestimmten Zeiten im Jahr wie der Pfasten- oder Adventszeit Exerzitien im Alltag an. Dabei sind die Teilnehmer angehalten, täglich einige Minuten im Gebet zu verbringen und zum Abend den Tag zu reflektieren. Bei einem Treffen mit den anderen Teilnehmern wird gemeinsam darüber gesprochen und ein Impuls für die kommenden Tage gegeben.

Exerzitien, betont Holzknecht, könne jeder machen. "Zu uns kommen gläubige und suchende Menschen, katholische und evangelische Christen und Christinnen und auch konfessionslose Menschen." Dennoch spielten das Gebet, der Glaube und Gott natürlich eine wichtige Rolle, sagt der Jesuit. "Wenn jemand diesbezüglich wenig oder gar keine Erfahrungen mitbringt, geht es darum, jemandem zu helfen, einen Zugang zum Gebet und zu Gott zu finden, zum Beispiel über Betrachtung der Schöpfung, über Bilder, über Schrifttexte oder andere Texte."

Feste Termine oder einen vorgeschriebenen Zeitablauf für Exerzitien gibt es nicht. Laut Holzknecht empfiehlt es sich aber, die geistlichen Übungen in regelmäßigen Abständen durchzuführen, wenn möglich zumindest einmal im Jahr.

Hilfe gegen Ängste

Doch nicht nur für ein bewussteres Leben sind Exerzitien nützlich. Sie können auch Widerstandsfähiger machen - etwa gegen Existenz- oder Kriegsängste, die durch die Berichte von Kriegen, Preissteigerungen und Importausfällen derzeit viele Menschen beschäftigen. Wer sich zu stark in den Strudel dieser schlechten Nachrichten hereinziehen lässt, riskiert Panikattacken und Depressionen zu erleiden.

Innerer Frieden, wie ihn die Exerzitien vermitteln können, kann hier ein probates Mittel sein, um sich der Angstzustände zu erwehren. Auch Holzknecht habe den Eindruck, "dass die allgemeine Unsicherheit dazu beiträgt, dass Menschen nach Halt und Orientierung suchen". Dementsprechend stelle er zuletzt ein gesteigertes Interesse an den Übungen fest.

Als sicher gilt zumindest: Wer ruhig und ausgeglichen ist, das belegen zahlreiche psychologische Studien, der hat auch eine höhere Stresstoleranz und läuft weniger Gefahr psychisch in Mitleidenschaft gezogen zu werden. So können Exerzitien und Gebet letztlich neben den seelischen auch einen praktischen gesundheitlichen Nutzen haben.

Exerzitien

Exerzitien eröffnen Räume und Zeiten für das geistliche Wachsen eines Menschen zu einer immer tieferen persönlichen Gottverbundenheit. Auf jede Frau, jeden Mann neu aktuell ausgerichtet, orientieren sich Exerzitien an der Heiligen Schrift und der geistlichen Tradition der lebendigen Kirche. Im Zentrum begegnet das ganz konkrete Leben Jesu Christi, durch das dem Exerzitienteilnehmer das Geheimnis des eigenen Daseins in der Begegnung heilsam aufgeschlossen werden kann.

Symbolbild Kreuz im Licht / © Kanjana Kawfang (shutterstock)
Symbolbild Kreuz im Licht / © Kanjana Kawfang ( shutterstock )
Quelle:
KNA