DOMRADIO.DE: Eigentlich machen Sie Energieberatung für Bürgerinnen und Bürger. Jetzt aber sitzen Sie gerade mitten in Adventskränzen, Engelchen und Christbaumkugeln?
Jessica Fischer (Haus der Nachhaltigkeit, Münster): Genauso kann man sich das vorstellen. Wir machen jetzt im Moment unsere Weihnachtsschmuck-Tausch- und Verschenke-Börse. Es ist tatsächlich so, dass wir inmitten dieser glitzernden und glänzenden Weihnachtsdeko sitzen.
Wir können es bei schönem Wetter auch ein bisschen nach draußen, vor unseren Laden, verschieben. Aber ja, so kann man sich das vorstellen. Das heißt, wir haben große Tische aufgestellt und haben versucht, das zu sortieren und haben viele Kisten und Kästen. Da sind die verschiedensten wunderbaren Weihnachtsdekorationen drin.
DOMRADIO.DE: Seit Mitte November machen Sie diese Verschenk- und Tauschbörse für weihnachtliche Dekoration. Fangen die Leute dann schon an, über Deko am Baum nachzudenken?
Fischer: Ja, wir haben das zu dem Zeitpunkt gestartet. Denn genau dann fingen auch die europäischen Wochen der Abfallvermeidung an. Und das ist natürlich ein Beitrag, den wir in diesem Sinne leisten wollen.
Neben dem ganzen Schönen und Besinnlichen, was wir damit auch verbreiten, hat das natürlich diesen Hintergrund. Es hat sich gezeigt, dass es genau richtig war und dass das auch jetzt schon bei den Menschen ankommt. Viele freuen sich auch, wenn sie hier hereinkommen und sagen: Ah, jetzt fängt die Weihnachtsstimmung auch richtig an.
DOMRADIO.DE: Kann man bei Ihnen nur abgeben oder mitnehmen? Kostenfrei? Wie funktioniert das?
Fischer: Wir haben es zwar Weihnachtsschmuck-Verschenk- und Tauschbörse genannt. Es ist eigentlich bei uns alles möglich. Natürlich ist es grundsätzlich so gedacht, dass man etwas abgibt und etwas mitbringt. Es muss aber jetzt überhaupt nicht eins zu eins sein. Es wird auch nicht kontrolliert, nicht reglementiert, gar nichts. Da können die Menschen, die zu uns kommen, sich frei bedienen und auch frei abgeben.
Es werden kistenweise Kugeln, Lametta, Sterne und Engel angeliefert und manchmal auch nur ein kleines Teilchen, wo dann auch die Geschichte zu erzählt wird. Und genauso ist es auch beim Mitnehmen. Es gibt auch die Möglichkeit, sich die Deko auch nur auszuleihen, für einen Anlass zum Beispiel.
DOMRADIO.DE: Sie haben eben Lametta erwähnt. Ich dachte, früher war mehr Lametta und heute benutzt das niemand mehr.
Fischer: Ja, das ist tatsächlich auch so, jedenfalls nach unserer Erfahrung, die wir hier haben. Es ist schon eher ein Einzelfall, aber es wurde auch Lametta abgegeben. Eine ältere Dame hat ganz viel Schmuck, auch noch von ihren Schwiegereltern, wie sie mir erzählt hat, zusammengesucht. Und etwas verschämt hat sie gefragt, ob sie das Lametta auch bei uns abgeben darf.
Sie durfte, denn da gehen wir nicht ins Eingemachte, was die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz angeht. Sondern im Vordergrund steht der Tauschaspekt und die Abfallvermeidung. Und vielleicht gibt es ja doch noch den einen oder anderen, der sich dann darüber freut.
DOMRADIO.DE: Hören Sie Geschichten, die sich rund um die Gegenstände drehen und mit wirklich ganz persönlichen Dingen zusammenhängen?
Fischer: Das gibt es tatsächlich. Das ist auch wirklich herzlich. Wir haben Freude bei der Arbeit, jeden Tag, im Moment besonders. Es ist so, dass auch ältere Menschen diese total wertvollen und gepflegten Glaskugeln noch in den Originalboxen von früher sorgfältig hier hinbringen. Und natürlich gibt es auch traurige Geschichten: Der Partner gestorben, man zieht in eine kleinere Wohnung und braucht nicht mehr viel. Die Kinder sind aus dem Haus ...
Aber es gibt auch schöne Geschichten: Vielleicht ist man zusammengezogen oder neu in die Stadt gekommen und hat noch nicht so viel Schmuck. Eine Frau hatte fast Tränen in den Augen. Die hatte eine ganz lange silberne Weihnachtsbaumspitze entdeckt und sagte: "Nein, das gibt es nicht. Die hatten wir früher, als ich Kind war." Also, es ist wirklich schön. Es kommen viele Geschichten; Emotionen sind ja immer irgendwie damit verbunden.
DOMRADIO.DE: Sind das Einzelpersonen, die bei Ihnen dann hereinkommen?
Fischer: Das ist auch unterschiedlich. Es sind Einzelpersonen, es sind Paare, es sind Gruppen. Es sind ja auch nicht nur Münsteraner und Münsteraner, es sind auch viele Besucher. Gerade jetzt zu den Weihnachtsmärkten.
Besonders freut uns, dass auch Kitas und Schulen das Angebot in Anspruch nehmen und dann für ihre Weihnachtssterne vor der Kirche, von der Schule oder in der Kita für eine Weihnachtsfeier, hier den Schmuck bekommen und sich auch einfach freuen und dankbar sind, weil sie sich das sonst unter Umständen wahrscheinlich gar nicht kaufen könnten.
DOMRADIO.DE: Wie stellen Sie sicher, dass Sie nicht in Sternen, Lichterketten, Kerzen, Ständern, Tannenzweigen versinken?
Fischer: Das ist eine gute Frage. Das überlegen wir jetzt quasi jeden Tag neu. Es ist wirklich so, dass wir täglich neue Sachen bekommen. Wir haben das ganz gut organisiert und ehrlich gesagt haben wir auch ein bisschen Lagerkapazitäten, und es wird auch viel mitgenommen.
Wir haben draußen Schilder aufgestellt, die die Menschen auch noch mal dazu animieren, hereinzukommen. Es soll niedrigschwellig sein, wir versuchen schon, die Menschen zu motivieren, etwas mitzunehmen. Denn natürlich sind auch viele dann eher zurückhaltend und trauen sich nicht so, aber das kriegen wir echt gut hin.
DOMRADIO.DE: Also, das kann man machen: spontan hereinkommen und mitnehmen, ganz ohne Bezahlung?
Fischer: Auf jeden Fall. Genauso ist es gedacht. Manche sind dann auch zurückhaltend oder ungläubig. Aber das können wir dann immer schnell klären. Natürlich kommen dann auch Gespräche zustande, und die Menschen sind total dankbar und freuen sich.
Und wir kriegen auch richtig viel Zuspruch, weil die alle diesen Gedanken der Nachhaltigkeit und der Abfallvermeidung, der da dahinter steckt, total unterstützen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.