DOMRADIO.DE: Nach dem Rücktritt von Erzbischof Ludwig Schick hat es keine zwei Tage gedauert, da wurden Sie vom Domkapitel schon zum Übergangsverwalter gewählt. War die Wahl zum neuen Bamberger Erzbischof trotzdem eine große Überraschung für Sie?
Herwig Gössl (Ernannter Erzbischof von Bamberg): Es war für mich schon eine Überraschung. Ich hätte mir gut auch vorstellen können, dass ein Bischof von außen in unser Bistum kommt, so wie es ja bei meinen Vorgängern auch gewesen ist. Dafür spricht etwas.
Aber es spricht natürlich auch etwas dafür, dass jemand kommt, der sich schon auskennt, in den Strukturen beheimatet und bereits eingearbeitet ist. So können wir nun den Übergang ziemlich geräuschlos gestalten, da wir ja nun auch schon lange auf einen neuen Erzbischof gewartet haben.
DOMRADIO.DE: Wäre dieses Amt denn auch Ihr persönlicher Wunsch gewesen?
Gössl: Gewünscht habe ich es mir nicht. Nein, das sage ich ganz ehrlich. Aber ich bin bisher immer so gefahren, dass ich gesagt habe: Was der liebe Gott mir zutraut, das nehme ich an, und so wird auch dieses Amt gut verlaufen können. Ich bin da eigentlich zuversichtlich.
DOMRADIO.DE: Sie haben schon viele Einblicke gesammelt. In der Priesterausbildung waren Sie zum Beispiel aktiv. Sie waren auch Bischofsvikar für die Caritas und kennen die soziale Arbeit der Kirche ganz gut. Was haben Sie sich denn für die nächsten Jahre vorgenommen? Wo wollen Sie in Ihrer Amtszeit Schwerpunkte setzen?
Gössl: So eine Zeit ist natürlich schwer zu überblicken. Aber wo wir hinlaufen, zeichnet sich schon ab. Wir werden sicherlich, ob wir es wollen oder nicht, weniger werden. Wir werden mit geringeren Ressourcen auskommen müssen. Da ist es schon wichtig zu sagen, wo wir uns konzentrieren müssen.
Wie können wir sicherstellen, dass der christliche Glaube, der so unendlich wichtig für die Menschen ist, auch bei den Menschen ankommt, sodass er gefeiert werden kann, dass er verkündet werden kann, dass Menschen ihn auch als für ihr Leben wichtig wahrnehmen können.
Ich glaube, da liegt im Moment eine Art Kruste drüber, die das Ganze ein bisschen verdunkelt. Wichtig wäre, dass wir da dran arbeiten, das aufbrechen und wieder Freude am Glauben spürbar werden lassen. Daran möchte ich gerne an allen Stellen, wo ich kann, mitarbeiten, so gut mir das möglich ist.
DOMRADIO.DE: Eine Möglichkeit wieder jüngere Menschen zu erreichen, sind die sozialen Medien. Ihr Vorgänger war da medial sehr aktiv. Wollen Sie in dem Sinne denn auch ein "Medienbischof" sein?
Gössl: Ganz ehrlich? Das möchte ich eigentlich nicht sein. Diese sozialen Medien sind nicht ganz meine Stärke. Aber ich habe ja sehr gute Mitarbeiter, die da gut unterwegs sind. Ich unterstütze das natürlich schon sehr. Ich selber bin da wenig unterwegs. Aber ein Bistum ist Gott sei Dank kein Einmannbetrieb.
DOMRADIO.DE: Auch in Ihrem Erzbistum gab es in der Vergangenheit Missbrauchsfälle und schwere Versäumnisse auf Seiten der Bistumsleitung. Trotzdem zählt das Erzbistum Bamberg zu den Diözesen, die bis jetzt kein Missbrauchsgutachten in Auftrag gegeben haben. Werden Sie das ändern?
Gössl: Wir sind dieses Thema angegangen. Das Thema Missbrauch ist bei uns schon seit 2002 Thema. Wir haben seit der Zeit einen Arbeitsstab. In der Zwischenzeit haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ständig weiterentwickelt und wir werden ein Missbrauchsgutachten in Auftrag geben.
Mein Vorgänger hat immer auch darauf Wert gelegt, dass das nicht vom Bistum in Auftrag gegeben wird, sondern von der unabhängigen Aufarbeitungskommission. Die sind da jetzt dran, die sind kurz vor der Fertigstellung dieses Auftrages. Dann werden wir das ganz systematisch bearbeiten.
Ich bin nicht der Meinung, dass wir da bisher geschlafen hätten, auch wenn wir nicht bei den ersten waren, die ein Gutachten in Auftrag gegeben haben.
DOMRADIO.DE: Eine Reaktion auf die Vertrauenskrise ist der Synodale Weg. Ludwig Schick, Ihr Vorgänger, hat sich da klar positioniert, er galt als Reformer. Sie haben in Interviews kurz nach Ihrer Ernennung anklingen lassen, dass nicht jedes Reformvorhaben die Menschen zurück in die Kirche bringe. Welche Reformen genau haben Sie denn damit gemeint?
Gössl: Es gibt die berühmten Reizthemen, die immer gleich angefragt werden, nicht erst seit der Synodale Weg entstanden ist. Lasst doch die Priester heiraten und weiht Frauen zu Priestern, usw. Das sind natürlich alles heikle Dinge, die in unterschiedlicher Weise auch theologisch qualifiziert sind.
Ich habe dann bisher immer zurückgefragt: "Würden denn Ihre Enkelkinder oder Kinder dann wieder in die Kirche gehen oder mit Kirche was anfangen können, wenn diese Fragen anders gelöst werden, als sie jetzt gelöst sind?"
Die Reaktion war eigentlich immer sehr ehrlich. Eigentlich glauben sie das nicht. Von daher denke ich nicht, dass sich mit diesen Fragen die Situation von Kirche grundlegend verändern würde, auch wenn die jetzt anders gelöst werden könnten, als sie im Moment gelöst sind.
Von daher meine ich, dass echte Reform immer damit anfangen muss, dass man zum Kern des Glaubens findet und sich aus dieser Mitte heraus dann konkrete Schritte der Veränderung in Kirche ergeben. Davon bin ich überzeugt. Ich kann aber nicht von außen einen Prozess hier anstoßen, bei dem ich meine, jetzt sei die Kirche wieder en vogue. Das würde mich sehr überraschen.
DOMRADIO.DE: Das sind auch die Themen, bei denen Sie sich bei den Abstimmungen enthalten haben. Wie sehen Sie da in die Zukunft? Wird man mit Blick auf die Weltkirche da eine Einigung zu erzielen? Ist das möglich?
Gössl: Also, wenn es nicht möglich ist, dann wäre es schwierig, in diesen Fragen voranzugehen. Ich glaube schon, dass wir in bestimmten Fragen gemeinsam gehen müssen. Die Zölibatsfrage ist vielleicht eine, die unterschiedlich geregelt werden kann, ja auch schon unterschiedlich geregelt ist. Wir haben schon unierte Ostkirchen, die keine Zölibatsverpflichtung haben.
Aber bei anderen Fragen wie der Frauenordination oder wenn es um die Struktur der Kirche geht, die Frage des Bischofsamtes, kann ich mir nicht vorstellen, dass man sagt, das sei in Deutschland anders geregelt als in Spanien und Polen. Da geht es um den Kern. Da müssen wir uns schon einig werden.
Das Interview führte Elena Hong.