DOMRADIO.DE: Bei der Online-Konferenz des Synodalen Weges haben Sie vergangene Woche davon gesprochen, dass die Einheit der Kirche bewahrt werden muss, dass Sie Sorge haben, wenn Deutschland diesen Weg fortsetzt. Können Sie das erläutern?
Czeslaw Kozon (Bischof von Kopenhagen, Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz): Zuerst muss ich sagen, dass ich nicht unbedingt in den Begriffen denke, die einige jetzt äußern. Ich spreche nicht von einem Schisma. Aber ich meine, es ist schwer genug, wenn man innerhalb der selben Kirche bei wichtigen Themen so tiefgreifende Veränderungen anstrebt, die zum Teil das Fundament der Kirche betreffen. Da wird es schwierig zu sehen, wie solche Unterschiede in der Praxis ausgelegt und bewältigt werden könnten. Deswegen meine ich, dass man den Ausgangspunkt in der Lehre und Tradition der Kirche sehen sollte, wie man den unbedingt relevanten Herausforderungen entgegentreten kann und zudem heute den Menschen nahe bringen kann, was die Kirche will.
DOMRADIO.DE: Sie haben die Online-Konferenz vergangene Woche als Beobachter verfolgt. Was war Ihr persönlicher Eindruck von diesem Prozess und von den Gesprächen?
Kozon: Es ist durchaus verständlich, dass sich die Kirche in Deutschland nach den Missbrauchsfällen etwas überlegen muss. Dabei gibt es aber eine große Bandbreite an Diskussionsthemen. Natürlich will ich nicht als Besserwisser auftreten und die Kirche in Deutschland belehren. Aber man ist schnell auf Themen gekommen, die sehr weitreichend sind und in einigen Fällen die herkömmlichen Haltungen der Kirche herausfordern.
Man sollte, glaube ich, versuchen, das Thema Missbrauch sehr gezielt anzugehen. Natürlich gibt es Verbindungen zum Leben der Priester, auch zum Teil zu den Strukturen der Kirche. Meines Erachtens sollte man es aber nicht ganz so radikal angehen. Wie Papst Franziskus gesagt hat, meine ich nicht, dass das gewünschte Ziel vorerst durch Änderung der Strukturen erreicht wird. Die Themen hätte man meines Erachtens eher getrennt halten sollen.
DOMRADIO.DE: Sie haben also die Angst, dass es bei dem Prozess nicht nur darum geht, Missbrauch zu verhindern, sondern darum, andere kirchenpolitische Ziele zu erreichen, die damit nichts zu tun haben?
Kozon: Ja, ich glaube, das ist kein Geheimnis, auch innerhalb des Synodalen Wegs nicht. Viele der Wünsche, die geäußert worden sind, haben ja im strengen Sinne nicht unmittelbar mit dem Thema Missbrauch zu tun, einige überhaupt nicht. Es sind Wünsche, die schon lange – wie anderswo auch - gehegt worden sind und die jetzt wieder zum Ausdruck kommen.
DOMRADIO.DE: Gibt es bei Ihnen in Nordeuropa die gleichen Konflikte, die gleichen Reformbestrebungen? Oder ist das ein rein deutsches Phänomen?
Kozon: Ich glaube nicht, dass es ein rein deutsches Phänomen ist. Die Kirche ist weltweit herausgefordert. Es gibt ja allmählich keinen Flecken auf der Erde, wo die Welt noch in Ordnung ist, auch innerhalb der Kirche nicht. Überall steht man vor Herausforderungen. Der Unterschied ist, im Norden gibt es nicht diesen starken Wunsch nach Strukturveränderungen. Es gibt schon Katholiken, die in all diesen Themen Veränderungen wünschen, beim Zölibat, der Frauenweihe oder der kirchlichen Sicht auf die Familien. Das gibt es alles, aber es wird nicht so scharf aufgezogen und auch kaum thematisiert in den entsprechenden Foren. Es ist kein tägliches Thema in der Kirche im Norden.
DOMRADIO.DE: Was macht da den Unterschied zu Deutschland?
Kozon: Die katholische Kirche in den nordischen Ländern ist eine Minderheitenkirche mit ganz anderen Problemen. Es ist eine Kirche, die von Migranten geprägt ist. Die Migranten kommen aus sehr verschiedenen Ländern, wo man auch verschiedene Ansichten hat, bei diesen Themen. In einigen Ländern ist das gar kein Thema. Man akzeptiert das, was dort Tradition ist.
Dann gibt es einen kirchlichen Alltag, wo man als Minderheitenkirche sieht, wie man am besten sein katholisches Leben zum Ausdruck bringen kann. Wie kann man Laie, als Familie seinen katholischen Glauben leben? Als Seelsorger fragt man sich hier: Wie halten wir die Menschen in der kirchlichen Gemeinschaft? Sie sind hier von einer Umwelt umgeben, die nicht stark christlich geprägt ist und deswegen geht es eher darum, wie wir ein Umfeld schaffen können, wo die Menschen sich zu Hause fühlen, sich von der Kirche angezogen fühlen. Da geht es eher darum, dass man da ist. Das es Gottesdienst-Angebote gibt, auch in den verschiedenen Sprachen. Weniger stellt sich die Frage, wie und ob man Strukturen verändert.
Und dazu muss man auch sagen, dass die Mentalität in unseren Ländern traditionell sehr demokratisch ist und den Konsens sucht, sodass die Fronten auch innerhalb der Kirche gar nicht so scharf gezogen sind. Die Katholiken sind bei uns seit 50 Jahren gewohnt mit einbezogen zu werden. Die Priester haben zwar eine wichtige Rolle, aber dort, wo es funktioniert, da werden die Laien entweder durch die Gremien oder als Einzelperson mit einbezogen, sodass es da gar keinen Antagonismus zwischen Hierarchie und Laien geben kann.
DOMRADIO.DE: Einer der großen Konfliktpunkte beim Synodalen Weg ist die Frage, inwiefern die Beschlüsse mit der Weltkirche vereinbar sind. Sehen Sie auch dieses Problem?
Kozon: Wie es ausgeht ist ja noch schwer zu sagen. Ich glaube nicht, dass die Kirche in Deutschland einen absoluten Alleingang vollziehen wird. Man sieht die Probleme aus deutscher Sicht und einige empfinden das als sehr drängend. Es ist, glaube ich, zu früh zu sagen, wie die Beschlüsse, die Ergebnisse der weiteren Beratungen, aussehen werden. Deshalb sollte man mit einem Urteil noch warten.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.