DOMRADIO.DE: Sie haben vor der Landtagswahl noch einmal mit Aktionen gegen Rechts richtig Tempo gemacht. Die AfD ist nicht die stärkste Kraft in Sachsen geworden. Wie geht es Ihnen damit?
Astrid Bodenstein (Mitglied der "Omas gegen Rechts" Sachsen): Ich würde gerne mit einem Hoffnungsschimmer anfangen. Eine meiner Enkelinnen schickte gestern Abend eine Nachricht über den Kurznachrichtendienst Signal, über das Junior-Wahlergebnis an ihrem Gymnasium. Da sieht es glücklicherweise ganz anders aus. Dort haben die AfD und auch das BSW beide nur knapp sieben Prozent erreicht, SPD und CDU liegen gleich auf.
Das ist für mich ein großes Hoffnungszeichen, dass Jugendliche auch anders wählen als die Mehrheit der bis 25-jährigen, wo ja die AfD sehr gut abgeschnitten hat. Es schwankt bei mir zwischen Hoffnungsschimmer und sehr großer Besorgnis.
DOMRADIO.DE: Knappe 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben die AfD in Sachsen gewählt. Das wird Ihnen nicht gefallen, oder?
Bodenstein: Ganz und gar nicht. Sicher werden die Aktionen, die wir durchführen, auch schwieriger werden. Wir waren vor der Europawahl im Juni, die bei uns auch eine Kommunalwahl war, in Sachsen auf der Straße und haben mit einem Stand aufzuklären versucht. Ich denke, wir haben da schon Leute erreicht.
Auf der anderen Seite haben wir auch sehr viel Ablehnung erfahren, glücklicherweise keine körperlichen Attacken, sondern nur verbale Zwischenfälle. Aber es ist schon schlimm genug, wenn man hört: "Eure Enkelinnen und Enkel werden die ersten sein, die abgestochen werden".
Das war nach dem furchtbaren Attentat von Solingen natürlich etwas, was sehr oben auf lag. Oder: "Ihr seid keine wirklichen Omas". Das alles mussten wir uns anhören und das wird wahrscheinlich nicht besser werden, weil die Menschen durch diesen Erfolg der AfD mehr Mut fassen, ihre Meinung herauszuschreien.
DOMRADIO.DE: Sie haben versucht die Leute aufzurütteln und zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Die Wahlbeteiligung ist recht hoch gewesen. Ist dieser Schuss nach hinten losgegangen?
Bodenstein: Indem wir die Menschen ermutigt haben, zur Wahl zu gehen, haben sie das dann vielleicht auch getan. Es gab aber einen großen Zulauf für die AfD als auch das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht, Anm. d. Red.) aus der Gruppe der Nichtwählerinnen und Nichtwähler.
DOMRADIO.DE: Sind das nur noch “Protest- und Frustwähler”, die die AfD wählen, wenn es so viele sind? Oder steckt mehr dahinter?
Bodenstein: Ich glaube, es steckt mehr dahinter, nämlich die Überzeugung, dass die AfD Lösungen anbietet. Eine Denkzettelwahl halte ich persönlich sowieso für falsch. Ich muss mich in der Demokratie einbringen. Mit einem Denkzettel herumzulaufen, bringt keine Lösung.
Ich überlege sehr, was die Gründe sind. Ich glaube, dass in den 35 Jahren seit der friedlichen Revolution noch zu wenig gelernt und vielleicht auch erfahren wurde, dass Demokratie Arbeit für jeden und jede mit sich bringt. Ich muss mich einbringen, wenn ich etwas verändern möchte. Es genügt nicht, alles nach oben zu delegieren.
DOMRADIO.DE: Wie werden Sie in Zukunft bei den “Omas gegen Rechts” weiterarbeiten? Werden Sie noch mehr Aktionen planen?
Bodenstein: Wir werden auf alle Fälle weiterarbeiten. Ich würde auch nicht sagen, dass das, was wir bisher getan haben, nutzlos war. Wir müssen überlegen, welche Formate wir jetzt bedienen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir verstärkt versuchen, mit Jugendlichen zu arbeiten, mit unserer Enkelinnen- und Enkelgeneration.
Bis zur Bundestagswahl ist noch ein Jahr Zeit. Da könnte es was bringen, Kontakte zu Jugendzentren zum Beispiel aufzubauen und uns weiter mit den Initiativen zu vernetzen, die wir jetzt bei den Aktionen vor der sächsischen Landtagswahl kennengelernt haben.
Das Interview führte Carsten Döpp.