Osnabrücker Diözesanmuseum zeigt historische Friedensarbeit

Der Beginn des Handschlags

Das Osnabrücker Diözesanmuseum zeigt aktuell eine Ausstellung zum Westfälischen Frieden. Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen hat mit dem Museumsleiter Hermann Queckenstedt über den Handschlag, der Frieden brachte, gesprochen.

Symbolbild Handschlag / © ASDF_MEDIA (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie sind Leiter des Diözesanmuseums in Osnabrück. Hier gedenkt man mit einer wunderbaren Ausstellung des Westfälischen Friedens. Warum ist es so wichtig, dem Frieden ein Gesicht zu geben? 

Hermann Queckenstedt, Leiter des Diözesanmuseums Osnabrück / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Hermann Queckenstedt, Leiter des Diözesanmuseums Osnabrück / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )

Hermann Queckenstedt (Leiter des Diözesanmuseums im Bistum Osnabrück): Wir möchten deutlich machen, dass der Frieden von Menschen gemacht wird und dass Menschen vor 375 Jahren in Osnabrück den Durchbruch geschafft haben, einen europäischen Krieg zu beenden.

Ich denke, das kann für uns heute auch noch sehr interessant sein. Wichtig ist, dass nicht die großen Mächte am Ende den Durchbruch schaffen, sondern kleinere, die vermitteln und die sozusagen Brücken bauen. Auch das hat durchaus Aktualität. 

DOMRADIO.DE: Der Westfälische Friede gilt oft als Grundlage für heutige Friedensverhandlungen und entsprechende Kongresse. Was wurde damals beschlossen? 

Queckenstedt: Es ist im Grunde eine Ordnung, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation für 150 Jahre in eine Struktur bringt. Damals hat man eine Grundordnung geschaffen.

In wieweit die eine breite europäische Befriedung mit sich gebracht hat, haben wir gerade erst in der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen diskutiert. Das wäre vielleicht ein bisschen hochgegriffen. Aber zumindest brachte es auf vielen Ebenen europäisches Verständnis und auch souveräne Staaten wie die Schweiz oder die Niederlande hervor. 

DOMRADIO.DE: Es wurden auch ganz besondere Modelle erfunden, damit man sich annäherte. Welches Setting hat man gewählt, damit man diese langen Verhandlungen erfolgreich zu Ende bringen konnte? 

Hermann Queckenstedt

"Ich glaube, Menschen, die sich kennen und im besten Fall schätzen, sind eher in der Lage, Kompromisse zu schließen."

Queckenstedt: Erst mal ist entscheidend, dass Vertrauen entstand. Man wollte ursprünglich mit Vermittlern arbeiten, die dann aus bestimmten Gründen ausgefallen sind. Da musste man irgendwie miteinander ins Gespräch kommen. Das war bisweilen holprig, aber am Ende doch erfolgreich.

Ich glaube, Menschen, die sich kennen und vielleicht auch Vertrauen zueinander fassen, im besten Fall sich schätzen, sind eher in der Lage, Kompromisse zu schließen als Menschen, die grundsätzliches Misstrauen und Unwillen haben. 

DOMRADIO.DE: In Osnabrück wurden die Friedensverhandlungen dann mit Handschlag am 6. August 1648 beschlossen.

Queckenstedt: Ja, man muss sich vorstellen, dass die Verhandlungen 1647/48 in eine Sackgasse kommen. Es sind dann eigentlich kleinere Reichsterritorien, die zu vermitteln versuchen. Sie werden heute unter dem Begriff "Dritte Partei" gefasst. Diese bewerkstelligen ein Stück weit den Durchbruch.

Am 6. August glaubte man so weit zu sein. Man traf sich im heutigen Friedenssaal, damals war es die große Ratskammer des Rathauses und wollte in der Unterkunft des schwedischen Prinzipalgesandten den Vertragstext verlesen, damit auch alle genau wissen, was sie da genau befürworten.

Dann brauchte es noch mal sieben Stunden, weil neu angefangen wurde zu diskutieren.

Der Osnabrücker Petersdom mit Diözesanmuseum (shutterstock)
Der Osnabrücker Petersdom mit Diözesanmuseum / ( shutterstock )

Am Ende, als alles durchgewunken ist, lassen die Schweden die Bombe platzen: Sie haben mit den Franzosen abgemacht, dass sie keinen unabhängigen Vertrag unterschreiben dürfen. Das müsse vorher abgestimmt werden. Das ist natürlich eine schwierige diplomatische Situation. Genau in dieser Situation kommt der Osnabrücker Handschlag ins Spiel.

Der Handschlag ist unter protokollarischen, völkerrechtlichen Gesichtspunkten ein verbindlicher Rechtsakt, der aber noch nicht die Qualität einer Unterschrift hat. Damit verpflichteten sich die Schweden und alle anderen, die sich die Hand gaben, auf diesen Vertragstext. Der wurde dann auch am 24. Oktober 1648 in Münster unterschrieben. 

DOMRADIO.DE: Wenn Sie heute Friedensverhandlungen sehen und Sie dann als Historiker zurückblicken, wo sehen Sie interessante Parallelen? 

Queckenstedt: Grundsätzlich würde ich sagen, dass alle Generationen und Zeitalter ihre Fehler selber machen möchten und in der Regel aus der Geschichte nicht viel lernen. Gleichwohl kann man sich Strukturen angucken. Ich glaube einfach, dass es in Zeiten verhärteter Fronten durchaus Mittel und Wege und Menschen geben sollte, die den Weg bereiten. Da sind die westfälischen Friedensverhandlungen sicherlich hilfreich.

Das Spannende ist auch, dass mit den westfälischen Friedensverhandlungen in besonderer Weise die Menschen, die diesen Frieden schließen, als Pacificadores, als Friedensmacher, in den Blick geraten. Ich denke, das kann uns heute eine Menge Hoffnung geben. 

DOMRADIO.DE: Ich bin auf Suche nach Menschen, die sich für den Frieden einsetzen. Wo setzen Sie sich ganz persönlich im Alltag für Frieden ein? 

Hermann Queckenstedt

"Ich glaube, wenn wir Friedensstifter in unserem Umfeld sind – in den Familien, Gemeinschaften und Regionen, in denen wir unterwegs sind – können wir eine ganze Menge bewirken.

Queckenstedt: Ich glaube, ich bin hier durchaus bekannt dafür, dass ich auch strittige Themen anspreche. Etwa die Frage, wie wir mit dem jüdischen Erbe umgehen und wie da Verdrängungsprozesse aufgebrochen werden müssen.

Aber wissen Sie, am Ende meiner Führungen sage ich dann immer: Es wäre schön, wenn wir aus diesen Geschehnissen etwas für den großen Frieden, den Weltfrieden, entnehmen könnten. Aber dazu sind wir nicht in der Lage.

Aber ich glaube, wenn wir ein kleines bisschen Friedensstifter in unserem Umfeld sind – in den Familien, in den Gemeinschaften, in den Regionen, in denen wir unterwegs sind – dann können wir eine ganze Menge bewirken. 

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen. 

Information der Redaktion: Alle Informationen zur Rad-Pilger-Tour für den Frieden finden Sie hier.

DOMRADIO.DE-Chefredakteur auf Rad-Pilger-Tour für den Frieden

Die multimediale " Rad-Pilger-Tour für den Frieden", eine Zusammenarbeit vom DOMRADIO.DE mit dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken, führt in diesem Jahr vom Kölner Dom bis ins polnische Breslau. Für jeden gestrampelten Fahrradkilometer spendet das Bonifatiuswerk einen Euro an den Flüchtlingsdienst der Jesuiten, insgesamt also 1.225 Euro. Die Aktion unterstützten kann man bequem per Online-Spendenformular (hier klicken).

Ingo pilgert / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Ingo pilgert / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )
Quelle:
DR