Papst betet für Opfer des 11. September - Messe zum Abschluss

"Ermutige und tröste uns"

Am letzten Tag seiner USA-Reise hat Papst Benedikt XVI. Ground Zero in Manhattan besucht. In einer bewegenden Zeremonie sprach er am Sonntagmorgen (Ortszeit) ein Gebet für die Opfer der Anschläge des 11. September 2001. Er bat Gott, "Frieden in unsere gewalttätige Welt" zu bringen. Bei der großen Abschluss-Messfeier vor 60.000 Gläubigen im Anschluss im Yankee Stadium schwor Benedikt die Katholiken der Landes auf eine Beteiligung in Politik und Gesellschaft ein.

 (DR)

In den Vereinigten Staaten hätten Katholiken seit jeher nicht nur die Freiheit gefunden, ihren Glauben zu leben, sondern auch voll am bürgerlichen Leben teilzunehmen, sagte der Papst am Sonntagnachmittag (Ortszeit) bei dem Gottesdienst im New Yorker Yankee Stadium.

Das Kirchenoberhaupt rief die Gläubigen auf, «mit fester Entschlossenheit» voranzugehen und ihre moralischen Überzeugungen in den öffentlichen Raum zu tragen. An der Feier in der berühmten Baseball-Arena nahmen rund 60.000 Menschen teil.

Im «Land der Freiheit und Möglichkeiten» habe die Kirche Menschen unterschiedlichster Herkunft in ihrem Bekenntnis zum Glauben vereint, sagte der Papst. Mit ihrer Bildungs-, Wohlfahrts- und Sozialarbeit habe sie bedeutende Beiträge für die Gesamtgesellschaft geleistet.

Benedikt XVI. verwies auf das Bestehen der Bischofssitze New York, Boston, Philadelphia und Louisville seit genau 200 Jahren. Zugleich erinnerte er an die Einwanderer, diese mit ihren Traditionen die Kirche der USA bereichert hätten. Wie in den Gottesdiensten zuvor predigte der Papst auf Englisch und Spanisch.

«Falsche Trennung zwischen Glauben und politischem Leben»
Benedikt XVI. wandte sich gegen eine «falsche Trennung zwischen Glauben und politischem Leben». Nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) gebe es auch in weltlichen Dingen keine menschliche Tätigkeit, die sich der Herrschaft Gottes entziehen lasse. In jedem gesellschaftlichen Bereich sollten Katholiken daher für das Wachsen des Reiches Gottes arbeiten. Er ermunterte sie, «angesichts von Widerstand, Widrigkeiten und Anstoß nicht den Mut sinken zu lassen».

Wie schon in den Tagen zuvor warnte Benedikt XVI. seine Hörer vor «falschen Evangelien der Freiheit und des Glücks». Wahre Freiheit liege in der Selbstaufgabe an Gott und im Glaubensgehorsam. Freilich sei eine solche Einstellung ein Stein des Anstoßes in einer Gesellschaft, die «der persönlichen Freiheit zu Recht einen hohen Wert einräumt».

Die Jugend mahnte der Papst zu Mut, für Christus und seine Wahrheiten einzutreten. «Das sind die Wahrheiten, die uns frei machen», sagte der Papst. Sie allein garantierten «Respekt vor der unverlierbaren Würde und den Rechten jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes in unserer Welt». Das gelte auch und vor allem für das «schutzloseste aller Menschenwesen», das ungeborene Kind im Mutterleib. Die Gläubigen antworteten darauf mit Applaus. Das 81-jährige Kirchenoberhaupt beschwor die jungen Katholiken des Landes, sich «dem Ruf des Herrn» zu öffnen und ihm als Priester und Ordensleute zu folgen.

Ground Zero
Beim Gebet bei Ground Zero zuvor hatte Benedikt gesagt: "Führe jene auf deinen Weg der Liebe, deren Herzen und Gedanken sich in Hass verzehren." Für die Angehörigen betete um er "Kraft, ihr Leben mit Mut und Hoffnung fortzusetzen".

Im Anschluss empfing er einzeln mehr als 20 Opfer, Angehörige und Helfer des Unglücks. Neben der Begegnung mit Opfern sexuellen Missbrauchs am Donnerstag war die Gedenkfeier einer der emotionalen Höhepunkte der sechstägigen Reise.

Anwesend waren auch der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg sowie Feuerwehrleute, Polizisten, Überlebende und Angehörige von Opfern teil. Nach dem Gebet begrüßte Benedikt XVI. nacheinander Angehörige und Helfer. Besonders bewegend war, als er einen versehrten und gehbehinderten Helfer daran hinderte, zum traditionellen Ringkuss niederzuknien. Die Teilnehmer der Feier zeigten sich stark berührt, viele weinten.

Ankunft in völliger Stille
Zu Beginn kniete der Papst nieder und verharrte einige Minuten in schweigendem Gebet. Die Ankunft selbst vollzog sich in völliger Stille. Anders als bei den sonstigen Auftritten des Papstes gab es keinerlei Applaus.

Am 11. September 2001 starben allein in den Zwillingstürmen des World Trade Center mehr als 2.600 Menschen, davon etwa 400 Helfer. An der Stelle der zerstörten Zwillingstürme soll bis 2012 der 541 Meter hohe Freedom Tower entstehen.

Die auflagenstarke Boulevardzeitung "Daily News" zeigte sich sicher, dass der Besuch Benedikt XVI. dafür sorgen werde, Ground Zero endgültig zum "heiligen Ort" werden zu lassen. Die anderen führenden US-Zeitungen widmeten sich zum Abschluss der Papstreise verschiedenen, eher politischen Aspekten seiner Botschaften. Dabei blieb der Tenor weiter positiv. Die "New York Times" machte mit dem Thema Einwanderung auf: "Indem sich der Papst für Immigranten einsetzt, berührt er ein heikles Thema". Die Äußerung des Papstes, dass Migrantenfamilien zu schützen seien, habe in den USA hohe Wellen geschlagen.

Die Zeitung konstatiert, dass der Papst zwar noch im Schatten seines Vorgängers stehe, zu dem die US-Katholiken noch immer "wahre Liebe" empfänden. Viele US-Amerikaner hätten Benedikt XVI. nun aber durch die Reise überhaupt erst kennengelernt. Den Unterschied zwischen beiden Päpsten sieht sie eher in ihrer unterschiedlichen Persönlichkeit begründet, "nicht aber in der Substanz ihrer Botschaft".

"Wie ein Rockstar gefeiert"
Die konservative "Washington Times" berichtet auf der Titelseite, der 81-jährige Benedikt XVI. sei bei seinem Treffen mit rund 25.000 Jugendlichen am Vorabend "wie ein Rockstar" gefeiert worden. Das Boulevardblatt "New York Post" schreibt über eine Parade entlang der Fifth Avenue, auf der der Papst am Samstag im Papamobil durch Manhattan fuhr: "Es war schön. Wenn Dich das nicht berührt hat, dann bist du nicht lebendig".

Am Nachmittag stand eine große Papstmesse in der Baseball-Arena der New Yorker "Yankees" auf dem Programm. Am Abend fliegt Benedikt XVI. zurück nach Rom. Es war die achte Auslandsreise des Kirchenoberhaupts.

Lesen Sie hier das Gebet in voller Länge:
O Gott der Liebe, des Mitgefühls und der Heilung, schau auf uns, Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Traditionen, die wir heute versammelt sind an diesem Ort, dem Schauplatz unglaublicher Gewalt und Schmerzen.

Wir bitten dich in deiner Güte, all jenen ewiges Licht und ewigen Frieden zu geben, die hier starben; den heroischen Helfern: den Feuerwehrmännern, Polizisten, medizinischen Rettungskräften und Mitarbeitern des Hafenamtes zusammen mit all den unschuldigen Männern und Frauen, die Opfer dieser Tragödie wurden, nur weil ihre Arbeit oder ihr Dienst sie am 11. September 2001 hierher führte.

Wir bitten dich in deinem Mitgefühl, denen Heilung zu bringen, die an Verletzungen und Krankheit leiden, weil sie an jenem Tag hier waren. Heile auch den Schmerz der immer noch trauernden Familien und aller, die geliebte Menschen bei dieser Tragödie verloren. Gib ihnen Kraft, ihr Leben mit Mut und Hoffnung fortzusetzen.

Wir denken auch an jene, die Tod, Verletzungen und Verlust am selben Tag im Pentagon und in Shanksville in Pennsylvania erlitten. Wir sind eines Herzens mit ihnen, während unser Gebet ihren Schmerz und ihr Leid umschließt.

Gott des Friedens, bring deinen Frieden in unsere gewalttätige Welt: Frieden in die Herzen aller Männer und Frauen und Frieden unter den Nationen der Welt. Führe jene auf deinen Weg der Liebe, deren Herzen und Gedanken sich in Hass verzehren.

Verständnisvoller Gott: Überwältigt vom Ausmaß dieser Tragödie, suchen wir dein Licht und deine Führung, wenn wir solch schrecklichen Ereignissen gegenüberstehen.

Gib, dass die, deren Leben verschont geblieben ist, so leben, dass diejenigen, die hier starben, nicht umsonst gestorben sind. Ermutige und tröste uns, stärke uns in der Hoffnung und gib uns die Weisheit und den Mut, unermüdlich für eine Welt zu arbeiten, in der wahrer Friede und Liebe unter den Nationen und in den Herzen aller herrschen.

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