DOMRADIO.DE: In Ihrem Buch "Brandmeister Gottes" schreiben Sie von einer Kirche, mit der man sich gerne sehen lässt. Was ist das für eine Kirche?
Pfarrer Franz Meurer (Katholische Kirchengemeinde St. Theodor und St. Elisabeth, Köln Höhenberg-Vingst): Das ist eine Kirche, die die Vielfalt der Menschen nicht nur akzeptiert, sondern super findet. Denn wir sind alle Geschöpfe Gottes. Wir sind alle nach seinem Ebenbild geschaffen. Und das geht quer durch alle Gender-Geschichten und alle Möglichkeiten. Nebenbei gehört auch die Natur dazu, die Tiere und die Pflanzen.
DOMRADIO.DE: Wo merken Sie im Alltag als Pfarrer, dass diese Vielfältigkeit für ihre Kirche bereichernd sein kann?
Meurer: Dadurch, dass die Menschen, die zum Beispiel queer sind, sich bei uns engagieren und jeden Samstag oder Sonntag in die Kirche kommen. Ich merke das daran, dass man nicht mehr andere verachtet, die eine andere Lebensart haben. Ich bin der festen Überzeugung, eine solche Gemeinde lebt schon Zukunft.
DOMRADIO.DE: In diese Zukunft gedacht: "Für eine Kirche, die nicht lange fackelt" heißt der Untertitel Ihres Buches. Anders herum gefragt: Wofür sollte denn die Kirche von heute brennen?
Meurer: Die Kirche sollte vor allem sofort brennen. Sie soll nicht nach Zuständigkeiten gehen, sondern die Leute müssen den Eindruck haben: Wenn ich ein Problem habe, bin ich hier richtig. Ich bringe in meinem Buch das Beispiel der Zeitungsausträgerin, die mich nachts um drei Uhr anruft und erzählt: „Mir ist das Fahrrad zerbrochen.“ Da bin ich raus und habe selbstverständlich mit dem Auto mit ihr zusammen Zeitungen ausgetragen. Daraus ist eine lange Freundschaft entstanden.
DOMRADIO.DE: Im Vortrag zu Ihrem Buch haben Sie davon gesprochen, dass es wichtig ist, dass man in Menschen Begeisterung entfacht, dass diese mit anpacken. Wie gelingt es, Menschen für kirchliche Projekte zu begeistern?
Meurer: Menschen begeistern sich selbst, wenn sie sinnvolle Projekte sehen; wenn sie Teil der Gemeinschaft sein können; wenn sie merken, sie werden im wahrsten Sinne des Wortes honoriert und haben Macht. Jeder, der sich bei uns engagiert, hat auch Verfügung über Geld.
DOMRADIO.DE: Teil dessen ist auch, dass Ihre Kirche demokratisch ist. Es wird nur demokratisch entschieden. Zeichnet das die Kirche von heute aus?
Meurer: Selbstverständlich ist Christus der Mitte der Kirche, aber in allen Orden wird demokratisch gewählt. Auch der Papst wird demokratisch gewählt. Das heißt, demokratische Instrumente sind völlig normal. Das wollen die Leute auch. Aber ich würde noch einen Schritt weitergehen: Demokratie ist ein "way of life".
Das ist die Art und Weise, Respekt zu geben. Ist die Art und Weise rechtlich Sicherheit zu haben. Ist die Art und Weise, dass nicht ein Diktator herrschen kann. Unser Papst Franziskus geht da mit Beispiel voran.
DOMRADIO.DE: Einige Menschen haben aber auch Angst vor einer moderneren Kirche. Wie gehen Sie damit um?
Meurer: Man muss auch die Traditionen bewahren. Es muss eine Vielfalt geben. Ich habe gar nichts gegen eine Messe nach einem alten Ritus. Wir haben unglaublich fromme Rosenkranzandachten bei uns. Wir machen natürlich die alten Formen.
Aber es gibt auch „Pay and Stay“, Taizé-Gebete und spirituelle Wanderungen. Das machen die Leute schrecklich gern. Also die Mischung macht's.
Das Interview führte Moritz Mayer.