Die Menschen sind nach Einschätzung des norwegischen Philosophen und Autor Lars Svendsen heute nicht einsamer als früher.
"Es gibt kaum Grund zu der Annahme, dass die Einsamkeit heute stärker verbreitet ist als vor 40 oder 140 Jahren", sagte Svendsen am Mittwoch bei der Jahrestagung des Deutschen Ethikrats. Die Corona-Pandemie, insbesondere der zweite Lockdown, seien eine Ausnahmesituation gewesen.
Unterscheidung von Einsamkeit und Alleinsein
Allerdings sei die Sorge über Einsamkeit größer, daher müsse das Problem angegangen werden. Einsamkeit sei dabei zu unterscheiden von Alleinsein, betonte Svendsen. Letzteres falle den Menschen heute unter Umständen schwerer als früher.
Laut Svendsen ist der größte Faktor für Einsamkeit fehlendes Grundvertrauen, insbesondere in Andere und die Gesellschaft als Ganzes. Hierzu gebe es zahlreiche wissenschaftliche Erhebungen.
Alle Einsamkeitsdefinitionen hätten gemeinsam, dass es um Schmerz und Isolation gehe, so Svendsen. Dabei gebe es situationsbedingte Einsamkeit, etwa nach einem Todesfall oder einer Trennung. Außerdem gebe es chronische Einsamkeit.
Einsamkeit innerhalb von Beziehungen
Letztere entstehe auch innerhalb von Beziehungen, aber oft sei es hier die individuelle Konstitution, dass eine Person sich chronisch einsam fühle. Um diese zu überkommen, müsse die Person auch an sich selbst arbeiten.
Auch der emeritierte Kassler Soziologe Heinz Bude erkennt keinen signifikanten Anstieg an Einsamkeit, aber eine andere gesellschaftliche Wahrnehmung und andere gesellschaftliche Umstände. Eine besondere Situation sieht Bude für die aktuellen Baby-Boomer.
Die "Einsamkeit der Sterbenden" bekomme eine ganz neue Bedeutung. "90 Prozent von ihnen werden in Institutionen sterben mit wenig Personal und nicht ausreichender Versorgung", so Bude.