Bei einer Podiumsdiskussion an der Freien Universität Berlin zur Frage "Was tun gegen Antisemitismus?" beklagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat einen dramatischen Anstieg antisemitischer Straftaten in Deutschland. Es gebe ein Schweigen, das gebrochen werden müsse, um die Demokratie zu verteidigen. Judenhass sei nicht "das Problem der Juden, sondern der gesamten Gesellschaft", sagte er am Montagabend in Berlin.
Für den jüdischen Publizisten Michel Friedman lässt sich die deutliche Zunahme von Judenhass in der Bundesrepublik auf Worte des türkischen Präsidenten zurückführen. "Erdogan hetzt jeden Tag türkische Bürger, die er dafür hält oder die sich dafür halten, gegen Juden und den Staat Israel auf", sagte der 68-Jährige bei der selben Veranstaltung an der FU am Montagabend. Erdogan tue dies in einer Art und Weise, die man "kaum von einem Hassprediger in Deutschland" hören würde.
Antisemitismus an Schulen und im Internet bekämpfen
Der Publizist Michel Friedman sagte bei der Diskussion, in Deutschland gebe es eine "Verdrängungsstrategie". Nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 sei in Berlin "Tod den Juden" geschrien worden und nicht "Tod den Israelis". Friedman und Klein kritisierten mangelnde Anteilnahme in Deutschland mit dem Leid der Opfer des Terroranschlags. Der Antisemitismusbeauftragte beklagte, anstatt mit Solidarität sei darauf mit Gleichgültigkeit reagiert worden. Der Satz "Antisemitismus hat keinen Platz in Deutschland" sei eine reine Floskel.
Vor diesem Hintergrund forderte Klein verpflichtenden Unterricht an Schulen über den Umgang mit Judenhass und Rassismus. Dazu gehöre auch, dass Lehrkräfte über die Geschichte der Staatenbildung Israels informiert werden. Nötig seien überdies wirksame Regeln gegen Hass und Hetze im Internet. Die Betreiber von Plattformen müssten dazu verpflichtet werden, nicht nur Inhalte zu löschen, sondern auch die IP-Adressen der Urheber an die Behörden weiterzugeben.
Worte Erdogans sorgen für Judenhass-Anstieg
Friedman kritisierte, dass Vertreter der Bundesregierung dem türkischen Politiker dennoch mit "Appeasement" und "Realpolitik" begegneten. "Keine deutsche Regierung soll mir erzählen, sie kämpfe gegen Antisemitismus, wenn sie nicht jedes Mal, bevor sie Erdogan die Hand gibt, sagt, er soll aufhören gegen Juden in Deutschland zu hetzen." Dabei betonte Friedman, er verweigere jede "Fehlinterpretation", dass das "große Problem" bei der Flüchtlingswelle 2015/2016 entstanden sei. Der Kirche warf er vor, mit der Behauptung, dass die Juden Jesus Christus getötet hätten, die erste "Fake News" der Weltgeschichte produziert zu haben.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Forschungsprojekts "Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus" statt. Klein ist seit 2018 Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Michel Friedman ist Autor zahlreicher Bücher. Aktuell ist von ihm das Buch "Judenhass" erschienen. Er stammt aus einer polnisch-jüdischen Familie, die während des Holocausts durch den Unternehmer Oskar Schindler gerettet wurde. In Paris geboren, wuchs Friedman in Frankfurt am Main auf, nachdem seine Familie 1965 dorthin zog.