DOMRADIO.DE: Sie haben sich mal als gläubig, aber nicht praktizierend bezeichnet. Was bedeutet denn der Ramadan für Sie persönlich?
Serap Güler (CDU-Bundestagsabgeordnete, Muslimin): Für mich ist es die Zeit der inneren Einkehr, der Besinnung, in der man ein bisschen runterfährt. Er gibt mir die Gelegenheit, beispielsweise bei den verschiedenen Fastenbrechen, zu denen man überall eingeladen wird, auf Freunde und Bekannte zu treffen und gemeinsam das Fasten zu brechen.
Ich muss aber gestehen, ich faste nicht. Ich faste im muslimischen Ramadan-Monat eher "katholisch" und verzichte diesen Monat auf Alkohol, aber nicht aufs Essen.
DOMRADIO.DE: Sie kennen beide Welten, da Sie über Ihr Engagement beim Sozialverband Kolping Einblicke in die Katholische Kirche erhalten haben. Was sind für Sie die größten Unterschiede beim Fasten?
Güler: Der komplette Verzicht aufs Essen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang bei den Muslimen findet so im Christentum nicht unbedingt statt. Ansonsten ist es aber im islamischen Fastenmonat Ramadan oder im christlichen Fastenmonat so, dass man diese Zeit zur inneren Einkehr nutzt und mit den Liebsten verbringt, sofern es beruflich möglich ist.
DOMRADIO.DE: Bei der christlichen Fastenzeit hat man manchmal den Eindruck, es gehe vor allem um den Verzicht, die Askese, was man auch in den Gottesdiensten mit einer reduzierten Liturgie spürt. Dagegen wirkt das muslimische Fastenbrechen immer sehr fröhlich, sehr sozial.
Güler: Absolut. Eigentlich sollte das Fastenbrechen nie alleine geschehen. Der Hintergrund ist vielmehr, dass man dazu auch Menschen einlädt, die vielleicht nicht immer die Möglichkeit haben, eine warme Mahlzeit zu genießen.
Diese Art von Verzicht soll uns alle in die Lage versetzen, einmal mitzubekommen, zu erleben und zu fühlen, wie es ist, nicht alles zu bekommen. Insofern ist das in der Konsumgesellschaft, in der wir de facto leben, vielleicht noch mal wertvoller als vor Jahrtausenden, als es erfunden wurde.
DOMRADIO.DE: Gibt es vielleicht irgendwas, was die Christen beim Thema Fasten, bei der Ernsthaftigkeit des Fastens, von den Muslimen lernen können?
Güler: Vielleicht ist es dieses gemeinsame Zelebrieren. Man geht auch jeden Abend in die Moschee, um da gemeinsam zu beten und das Fasten zu brechen. Oder man lädt Menschen nach Hause ein. Dieses Soziale, was im islamischen Fastenmonat im Fokus steht, ist vielleicht etwas, was man auf der christlichen Seite auch so praktizieren kann.
DOMRADIO.DE: Es gab ein bisschen Aufregung um die sogenannte Ramadanbeleuchtung, die es in Frankfurt in Teilen der Fußgängerzone gibt. In Köln-Ehrenfeld gibt es das auch auf privater Initiative hin. Einige finden es gut, andere regen sich auf. Wie finden Sie das?
Güler: Das ist nichts Neues. Auf der Keupstraße in Köln-Mülheim findet das auch schon seit einiger Zeit statt, wo Händler diese Beleuchtung zu Ramadan haben.
Ich war am Wochenende in London. Da haben sie es auch. Soweit ich es mitbekommen habe, gibt es dort keine Aufregung darum. Im meinem Hotel stand auch ein Schild mit der Aufschrift "Happy Ramadan". Es ist eine schöne Geste. Vielleicht können wir uns da ein bisschen abregen und das auch als nette Geste interpretieren.
DOMRADIO.DE: Wir erleben gerade in Deutschland sehr aufgeheizte Debatten rund um den Nahen Osten, um Integration, um Rassismus. Bei der christlichen Fastenzeit und beim Ramadan geht es vor allem um eine innere Erneuerung, um eine Vertiefung des jeweiligen Glaubens. Was wäre denn aus politisch-gesellschaftlicher Sicht Ihr Wunsch für die beiden Fastenzeiten?
Güler: Ich wünsche mir, das Verständnis füreinander etwas stärker aufbauen. Dann hätten wir solche Diskussionen um Beleuchtungen auch weniger.
Ich bin keine Christin, aber ich finde beispielsweise jede Weihnachtsbeleuchtung sehr schön. Jetzt kann man sagen, dass ich in einem christlichen Land lebe. Es gibt aber auch Weihnachtsbeleuchtung in islamischen Ländern, in den ganzen Shopping-Malls mit den ganzen Weihnachtsbäumen, die dort geschmückt sind oder mit den Weihnachtsmännern, die dort über all zu finden sind. Dort geht es natürlich um den Konsum. Aber ich finde es auch in diesen Ländern sehr schön.
Wir könnten das Verständnis gegenseitig aufbauen und solche Dinge einfach als schöne Geste für den anderen sehen und daraus keine politische Debatte machen. Ich habe das Gefühl, dass andere christliche Länder damit entspannter umgehen. Ich würde mir das auch für unsere Gesellschaft wünschen.
Das Interview führte Mathias Peter.