Ein Schritt in Richtung Versöhnung mit der indigenen Bevölkerung, sagte Schmidtke am Samstag im Interview des Schweizer Portals kath.ch. Indigene gingen davon aus, dass Franziskus die Aufarbeitung historischen Unrechts an indigenen Kindern in katholischen Internatsschulen voranbringen werde, so der Leiter des "Centre for Global Studies" an der Universität Victoria im kanadischen British Columbia.
Die katholische Kirche in Kanada habe sich bisher mit der Übernahme von Verantwortung zurückgehalten. "Dahinter steht die reale Gefahr, von Sammelklagen überrollt zu werden. Diese könnten die katholische Kirche vor massive finanzielle Probleme stellen", so Schmidtke.
Die Kinder in der Obhut der Kirche, die ihren Familien im 19. und 20. Jahrhundert oft gewaltsam entrissen wurden, um sie zu Christen zu erziehen, seien weitgehend schutzlos Gewalt und Vernachlässigung ausgesetzt gewesen. Die vielen Gräber mit anonymen Opfern, die in der Nähe katholischer Internate gefunden wurden, seien ein Indiz dafür. "Indigene Kinder waren nicht zufällig auch regelmäßig Opfer sexuellen Missbrauchs." Viele seien auch an behandelbaren Krankheiten gestorben.
Folgen bis ins 21. Jahrhundert
Bis heute sind nach den Worten Schmidtkes die Folgen dieser Behandlung unter der indigenen Bevölkerung spürbar, in Form von hohen Suizidraten, Alkoholismus und psychischen Problemen. "Kirche und Staat begingen eine unheilvolle Allianz in dem Versuch, indigene Identität und Kultur aus dem öffentlichen Leben Kanadas zu tilgen", so der Politologe.
Die katholische Kirche hat nach seinen Angaben etwa 60 Prozent der insgesamt 700 Internatsschulen geleitet. Bei der Kirche lag demnach die zentrale pädagogische und administrative Verantwortung.
Papst Franziskus bereist Kanada von kommendem Sonntag bis Freitag. Im Mittelpunkt stehen unter anderem Begegnungen mit indigenen Vertretern. Allgemein besteht die Erwartung, dass der Papst sich auf kanadischem Boden offiziell für das von der katholischen Kirche begangene Unrecht entschuldigt. Er selbst hat den Besuch als "Bußreise" bezeichnet. Bereits im März hatte das Kirchenoberhaupt bei einem Treffen mit Indigenen im Vatikan sein tiefes Bedauern über das Geschehene bekundet.