Marxist Pedro Castillo mutmaßlicher Wahlsieger in Peru

"Präsident der Armen" weckt Hoffnungen und Ängste

Der Marxist und Lehrer Pedro Castillo wird aller Voraussicht nach neuer Regierungschef in Peru. Ins Amt getragen haben ihn die Hoffnungen und Stimmen einer enttäuschten Landbevölkerung. Doch er spaltet schon jetzt.

Autor/in:
Tobias Käufer
Armut und Peru / © Adriana Peralta (KNA)
Armut und Peru / © Adriana Peralta ( KNA )

Es sind bemerkenswerte Zahlen, die die peruanischen Medien im Nachgang zu den Präsidentenwahlen in Peru veröffentlichen.

Jeder vierte Wähler in den einkommensstarken Vierteln der Hauptstadt Lima ist beim zweiten Wahlgang zu Hause geblieben, während laut der Zeitung "El Comercio" der mutmaßliche Wahlsieger Pedro Castillo seinen hauchdünnen Sieg vor allem einer hohen Zustimmung in den ärmeren Regionen des Landes zu verdanken hat. In den besonders finanzschwachen Regionen Ayacucho, Cajamarca und Huancavelica hätten sieben von zehn Peruanern für Castillo gestimmt.

Auch am Dienstagmorgen (Ortszeit) gab es noch kein offizielles Ergebnis - doch das vorliegende, denkbar knappe Zwischenresultat scheint sich zu verfestigen. Der Marxist und Lehrer Castillo (51) kommt demnach auf 50,13 Prozent, die rechtspopulistische Rivalin Keiko Fujimori auf 49,88 Prozent.

Die 46-jährige Tochter des wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori (1990-2000) spricht von Wahlbetrug, will Stimmen aus einigen Regionen des Landes annullieren lassen. Das trug ihr vom Indigenen-Verband CONAEI aus Ecuador schon den Vorwurf des Rassismus ein.

Castillo polarisiert vor Amtsantritt

Obwohl Castillo sein Amt noch gar nicht angetreten hat, polarisiert der überzeugte Marxist bereits. Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa sieht eine "Kastastrophe" heraufziehen. Castillos Kritiker befürchten, dass der neue Präsident ein repressives System nach Vorbild Venezuelas durchsetzen will. Tatsächlich hat sich Castillo im Wahlkampf mehrfach von Venezuela distanziert - auch wenn er das dortige, von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisierte System als eine Demokratie bezeichnete.

Zu den Vorbehalten trug auch Castillos Mitstreiter aus der gemeinsamen Partei "Peru Libre" (Freies Peru), Guillermo Bermejo, bei. Der Abgeordnete hat enge Verbindungen zur linksgerichteten Guerilla-Organisation "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), die für ein blutiges Kapitel in der peruanischen Geschichte steht. Bermejo sagte in einer Audio-Aufnahme: "Wir sind Sozialisten, und unser Weg zu einer neuen Verfassung ist ein erster Schritt. Und wenn wir die Macht übernehmen, dann werden wir sie nicht mehr abgeben."

Anhänger beider Seiten mobilisieren

Bei allem Respekt vor dem "demokratischen Unsinn" würden es die peruanischen Sozialisten bevorzugen, einen revolutionären Prozess zu etablieren, so Bermejo. Anschließend erklärte er, seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen und falsch zusammengeschnitten worden. Während Castillos Gegner schon jetzt die Straße mobilisieren, um ein zweites Venezuela zu verhindern, wollen sich seine Anhänger den mutmaßlichen Wahlsieg nicht mehr nehmen lassen - und kündigen ihrerseits eine Mobilisierung an.

Unterdessen ruft Kardinal Pedro Barreto zu Einheit im Land auf. "Wir stecken inmitten einer schweren demokratischen Krise", sagte der Jesuit und Erzbischof von Huancayo der Zeitung "La Republica". Peru sei an einen Punkt gelangt, von dem sich niemand habe vorstellen können, dass es so weit kommen könnte. Dennoch fordert er, den Blick nach vorn zu richten und die entscheidenden Fragen zu stellen: "Werden wir aus der wirtschaftlichen, politischen, gesundheitlichen und Arbeitsmarkt-Krise herauskommen?" Und der Kardinal zitiert seinen Ordensbruder Papst Franziskus: "Aus einer Krise kommt man entweder gestärkt oder geschwächt heraus."

Landbevölkerung abgehängt

Angesichts der Polarisierung im Land werden allerdings die Ursachen für Castillos Wahl überdeckt. Tatsächlich ist es die Landbevölkerung, die in der Corona-Pandemie noch einmal besonders deutlich zu spüren bekam, dass sie vom Rest des Landes abgehängt ist; keinen Zugang hat zu einem funktionierenden System hochwertiger Bildung oder zu bezahlbaren Lebensmitteln.

Stattdessen mussten die Menschen auf dem Land laut Beobachtern wieder einmal erleben, wie ein konservativer Präsident nach dem anderen wegen Korruption zurücktreten musste. Geblieben ist von deren Wahlkampfversprechen nichts außer Frust und Enttäuschung. Und der Hoffnung, dass es mit Castillo nun einer von ihnen endlich besser macht.


Pedro Castillo / © Martin Mejia (dpa)
Pedro Castillo / © Martin Mejia ( dpa )
Quelle:
KNA
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