Trotz Rückgangs immer noch 765 Millionen verheiratete Kinder

Problemfeld Kinderehe

In Deutschland sind Kinderehen verboten. Weltweit kommen diese aber millionenfach vor. Das Risiko einer Kinderehe steigt, je ärmer, ländlicher und bildungsferner eine Familie lebt. Was passiert, wenn die Gesetze kollidieren?

Autor/in:
Christian Michael Hammer
Trotz Rückgangs immer noch 765 Millionen verheiratete Kinder (shutterstock)
Trotz Rückgangs immer noch 765 Millionen verheiratete Kinder / ( shutterstock )

Viele haben im Kindergarten den besten Freund oder die beste Freundin geheiratet. Eine kindliche Spielerei. Manchmal gab es aber für die Sandkastenliebe auch ein Happy-End und es wurde Jahre später wirklich geheiratet. Dass Kinder in Deutschland vor dem Gesetz nicht heiraten können, ist hierzulande normal. Andernorts ist das aber an der Tagesordnung.

Weltweit geht die Zahl von Mädchen in Kinderehen zurück. Der Anteil der Frauen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet waren, sei im vergangenen Jahrzehnt von 25 auf 21 Prozent gefallen, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef.

Insgesamt gebe es rund 765 Millionen minderjährig-verheiratete Eheleute. Davon seien etwa 650 Millionen Mädchen. Etwa 115 Millionen der heute 20 bis 24 Jahre alten Männer seien bei ihrer Hochzeit Kinder gewesen. Etwa ein Fünftel (23 Millionen) sei damals 15 Jahre oder jünger gewesen.

Plötzliches Ende der Kindheit

"Eine frühe Ehe bedeutet das plötzliche Ende der Kindheit und eine Verletzung der Kinderrechte", erklärte die Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore in New York. Kinder-Bräutigame seien gezwungen, die verantwortliche Rolle eines Erwachsenen zu übernehmen. Eine frühe Ehe führe zu früher Vaterschaft und dadurch zu noch größerem Druck, für die Familie zu sorgen. "Durch weitere Forschung, Investitionen und die Stärkung von Jungen und Mädchen können wir diese Kinderrechtsverletzung beenden", sagte Fore.

Kinderehen bei Jungen sind laut Unicef-Bericht in einer Reihe von afrikanischen Ländern südlich der Sahara, Lateinamerika und der Karibik, Südasien sowie Ost-Asien und der Pazifik-Region verbreitet. Am häufigsten heiraten minderjährige Jungen in der Zentralafrikanischen Republik (28 Prozent), gefolgt von Nicaragua (19 Prozent) und Madagaskar (13 Prozent).

Mädchen befänden sich deutlich häufiger in sogenannten Frühehen, hieß es. Jede fünfte junge Frau wurde demnach als Kind verheiratet. Bei jungen Männern käme das bei jedem Dreißigsten vor. Das Risiko einer Kinderehe steige, je ärmer, ländlicher und bildungsferner eine Familie lebe.

Laut Unicef werden pro Jahr etwa zwölf Millionen weitere minderjährige Mädchen verheiratet. Derzeit drohten bis 2030 noch rund 150 Millionen Mädchen minderjährig verheiratet zu werden. Die Zahlen gingen nur langsam zurück. Auch wenn hierzulande keine Kinderehe geschlossen werden dürfen, wird über die deutschen Gesetz zur Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen Minderjähriger gestritten.

In Deutschland unwirksam

Seit Juli 2017 gilt: Ehen, die im Ausland legal geschlossen wurden, sind in Deutschland unwirksam, wenn einer der Ehepartner unter 16 Jahre alt ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste die Vorschrift bereits anwenden. Im Einzelfall war es um ein 2015 aus Syrien geflüchtetes Paar gegangen. Beide Partner sind nach syrischem Recht wirksam verheiratet. Der Ehemann war bei der Hochzeit 21, das Mädchen hingegen 14 Jahre alt.

Der BGH bezweifelte aber, ob die neue Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. "Der Bundesgerichtshof beanstandet, dass das Gesetz sogenannte Kinderehen automatisch für unwirksam erklärt, ohne dass eine Prüfung im Einzelfall stattfindet", erklärte damals die BGH-Presserichterin, Dietlind Weinland. Um Minderjährige bestmöglich zu schützen, müsse deshalb jeder Einzelfall genau untersucht werden.

Dies gebiete auch die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf die sich Minderjährige ebenfalls berufen könnten. Auch die Frage möglicher Sorgerechtsaspekte für etwaigen Nachwuchs aus der Beziehung. In letzter Instanz wird darüber das Bundesverfassungsgericht entscheiden.


Quelle:
KNA