Die Entscheidung hing schon seit Monaten in der Luft: Am Donnerstag hat das Bundesinnenministerium ein vollständiges Betätigungsverbot gegen die schiitische Terrormiliz Hisbollah in Deutschland verhängt. Ihr militärischer Arm ist bereits verboten; nun trifft es auch zivile Organisationen und Hisbollah-nahe Vereine und Moscheen. Am Donnerstagmorgen durchsuchten Polizisten solche Einrichtungen in Berlin, Bremen, Münster, Recklinghausen und Dortmund.
Erklärung: Hisbollah richtet sich gegen Völkerverständigung
Die islamistische Hisbollah rufe "offen zur gewaltsamen Vernichtung des Staates Israel auf und stellt dessen Existenzrecht infrage", hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Damit richte sich die Organisation "in elementarer Weise gegen den Gedanken der Völkerverständigung - unabhängig davon, ob sie als politische, soziale oder militärische Struktur in Erscheinung tritt".
Minister Horst Seehofer (CSU) sprach gegenüber der "Bild"-Zeitung von Deutschlands "historischer Verantwortung" und betonte wie einst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die deutsche "Staatsräson", wo es um den Bestand des jüdischen Staates gehe. "Anschlagsplanungen finden auch auf deutschem Boden statt".
Partei führt unversöhnlichen Kampf gegen Israel
Die "Partei Gottes" wurde 1982 als antiisraelische Miliz im libanesischen Bürgerkrieg gegründet. Als verlängerter Arm des iranischen Mullah-Regimes führt sie vom Libanon aus einen unversöhnlichen Kampf gegen Israel mit Raketenangriffen und Anschlägen und stellt neben der sunnitischen Hamas die größte Bedrohung für die Sicherheit der israelischen Bevölkerung dar.
Daneben ist sie im Libanon auch eine wichtige politische Größe und wurde bei den Parlamentswahlen 2018 stärkste Kraft. Obendrein operiert sie im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Präsident Baschar al-Assad und soll für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich sein.
Deutschland nutzten die schiitischen Kämpfer nach Erkenntnissen der Sicherheitsdienste vor allem als Rückzugsraum und zum Eintreiben von Spenden. Die Zahl der Anhänger hierzulande schätzt der Verfassungsschutz auf rund 1.050 Personen, die sich in einem verzweigten Netz aus Moscheevereinen und Unterstützergruppen ohne einheitliches Label sammeln. Allenfalls die Hisbollah-Fahne - grüne Kalaschnikow auf gelbem Grund - machte sie bei Veranstaltungen auf den ersten Blick als Mitglieder der Terrormiliz erkennbar. Auch dieses Banner mit der Koranzeile "Die Partei Gottes sind die Obsiegenden" darf nun nicht mehr gezeigt werden.
Wichtigster Organisator des antizionistischen Al-Quds-Tags
Regelmäßig wehte die Fahne bei der Demonstration zum israelfeindlichen "Al-Quds-Tag" in Berlin. Die Hisbollah gilt als wichtigster Organisator der "antizionistischen" Kundgebung mit Hunderten Teilnehmern am jeweils letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan. Al-Quds, "die Heilige", ist der arabische Name für Jerusalem.
Parolen wie "Kindermörder Israel" und "Juden ins Gas" sorgten immer wieder für Empörung in der Hauptstadt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) strebt seit längerem ein Verbot der am 16. Mai geplanten Versammlung an. Das Betätigungsverbot gegen die Hisbollah könnte ihm nun dabei helfen.
Israel und die USA forderten von der Bundesregierung schon lange ein härteres Vorgehen gegen alle Aktivitäten der Gotteskrieger auf deutschem Boden. Im Dezember schlossen sich die Bundestagsfraktionen von Union, SPD und FDP der Forderung an. Der israelische Außenminister Israel Katz sprach nun von einer "sehr wichtigen Entscheidung und einem bedeutenden Schritt im globalen Kampf gegen den Terrorismus". US-Botschafter Richard Grenell erklärte, das Betätigungsverbot spiegele die "Entschlossenheit des Westens wider, sich der weltweiten Bedrohung durch die Hisbollah zu stellen".
Schuster: Ganz Europa solle Hisbollah als Terrororganisation einstufen
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich erfreut. Deutschland dürfe nicht zum Refugium für Anhänger einer islamistischen Organisation werden, »die - getrieben von einem tiefen Hass auf Juden - Menschen zu Gewalt anstacheln und Terror finanzieren", so Präsident Josef Schuster. Doch er verlangt weitere Schritte: Neben einem Verbot des "Al-Quds-Tages" solle Deutschland seine EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte nutzen, um die Hisbollah in der ganzen Europäischen Union zu ächten.
Seit 2013 stuft Brüssel ihren militärischen Arm zwar als Terrorgruppe ein. Doch innerhalb der EU haben nur die Niederlande wie die USA, Kanada und Großbritannien die gesamte Organisation als terroristisch gebrandmarkt. Ob das deutsche Nachziehen weitere Mitgliedstaaten von einer härteren Haltung überzeugt, dürfte sich erst nach der Corona-Krise zeigen.
Von Christoph Schmidt