Regierungsbeauftragter betont Recht auf Atheismus

"Eine populistische Note"

Darf eine Regierung Atheismus verbieten? Das wird im Moment in Kenia diskutiert. Zum Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit gehöre allerdings ein Recht auf Atheismus fest dazu, sagt der Beauftragte der Bundesregierung.

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DOMRADIO.DE: Die Religionsfreiheit in Deutschland ist ein Grundrecht, ist in Artikel 4 unseres Grundgesetzes geregelt. Auch im europäischen Recht steht, dass alle frei sind in dem, was sie glauben, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit. In Ostafrika, in Kenia, sieht das gerade anders aus. Da will ein Regierungspolitiker Atheismus verbieten lassen, also dass man den Glauben an einen Gott oder Götter ablehnt. Er möchte, dass atheistisch zu sein verfassungswidrig wird. Einem entsprechenden Verein in Kenia soll die Arbeit verboten werden. Dafür will Stephen Ndichu von der regierenden Vereinigten Demokratischen Allianz vor Gericht sorgen und kritisiert die Abneigung gegenüber Religion, die der Verein mehrfach geäußert haben soll. Kann man Atheismus grundsätzlich verbieten lassen, wie der Politiker das jetzt vor hat?

Frank Schwabe, damaliger Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion, spricht bei der 164. Sitzung des Bundestags.  / © Britta Pedersen (dpa)
Frank Schwabe, damaliger Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion, spricht bei der 164. Sitzung des Bundestags. / © Britta Pedersen ( dpa )

Frank Schwabe MdB (Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit): Nach allen internationalen Konventionen kann man es nicht. Kenia hat sich ja auch zu internationalen Konventionen bekannt, weil die Frage von Religions- und Weltanschauungsfreiheit immer in einem Atemzug genannt wird. Also eben das Recht zu glauben, aber auch das Recht, nicht zu glauben und nicht religiös zu sein.

Mein Eindruck ist, dass es solche Versuche weltweit immer wieder gibt. Leider haben sie sehr negative Auswirkungen für die Menschen, die damit stigmatisiert werden, die zum Teil Gewalt ausgesetzt sind. Aber erfolgreich sind solche Initiativen eigentlich nicht, sondern es ist eher der Versuch, sich populistisch als Politiker zu betätigen.

DOMRADIO.DE: Der Verein wiederum erwidert, die kenianische Regierung wolle ein Bild vermitteln, dass das Land eine Nation ausschließlich von und für Gottesgläubige sei. Wie divers ist Kenia denn, wenn wir uns die Menschen des Landes anschauen?

Schwabe: Wir haben sehr unterschiedliche Religionen. Wir haben allerdings eine große Mehrheit an Christinnen und Christen unterschiedlicher Ausprägung, etwa 85 Prozent. Dann kommen Muslime mit einem relativ hohen Anteil um die 10 Prozent. Es gibt aber auch zweieinhalb Prozent Menschen, die von sich sagen, dass sie keinem Glauben angehören. Das ist sicherlich anders als in einem Land wie Deutschland, wo wir einen größeren Anteil von Menschen haben, die nicht in der Kirche sind. Aber es ist in Kenia durchaus möglich und auch immer möglich gewesen und soll auch möglich bleiben, zu sagen "Ich gehöre keiner Religion an".

DOMRADIO.DE: Weshalb gehört denn auch ein Recht auf Atheismus zur Religionsfreiheit dazu?

Frank Schwabe (Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit)

"Da wo es keine Religionsfreiheit gibt, haben auch Schwule und Lesben keine Freiheit."

Schwabe: Weil es das alles bedingt. Wenn ich Menschen nicht erlauben würde, unreligiös zu sein, dann wird es auch schwierig mit der Religionsfreiheit als solcher, das ist wie mit den Menschenrechten insgesamt. Deswegen kann man das mal gar nicht so separieren. Ich werde auch mal gefragt "Warum brauchst du das Recht auf Religionsfreiheit?" Das ist schwierig vielleicht dem ein oder anderen zu vermitteln im deutschen Kontext.

Ich sage dann immer, dass es alles zusammen gehört. Da wo es keine Religionsfreiheit gibt, haben auch Schwule und Lesben keine Freiheit. Wenn es eben ein Verbot geben würde, nicht religiös zu sein, dann kann man sich ganz sicher sein, dass es dann auch eine große Intoleranz gegenüber denjenigen geben würde, die eben nicht den Mehrheitsreligionen in einem Land angehören. Deswegen ist es so, dass diese beiden Rechte, religiös zu sein wie man möchte oder aber eben auch gar nicht religiös zu sein, untrennbar zusammen gehören.

DOMRADIO.DE: Gucken wir noch mal auf den Fall in Kenia. Ist das jetzt als ein erster Schritt zu verstehen zum Verbot anderer Religionen?

Frank Schwabe (Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit)

"Ich halte das für eine nicht ungefährliche, aber zunächst mal für eine populistische Note eines Politikers."

Schwabe: Ja, ich finde, man muss vorsichtig sein. Ich warne immer, auch wenn ich unterwegs bin, diejenigen, die sagen, keiner Religion anzugehören, das ist was ganz Schreckliches. Das ist in der Tat so, dass das in einem gesellschaftlichen, politischen Umfeld, in einem Land stattfindet, wo dann auch andere religiöse Rechte letztendlich in Gefahr sind. Es ist schwierig in manchen Ländern zu vermitteln, dass man eben keiner Religion angehört.

Ich war vor kurzem in Nigeria auf Dienstreise und da ist ja ungefähr die Hälfte des Landes christlich, die andere Hälfte muslimisch, ganz wenige, die keiner Religion angehören. Dort ist es viel einfacher, als Christ in einer muslimischen Gemeinschaft zu sagen "Ich bin Christ". Damit können die umgehen. Wenn man aber sagen würde, man wäre eben Atheist oder ähnliches, dann ist es wahnsinnig schwierig in solchen Gemeinschaften, in solchen Ländern.

Trotzdem gehört es untrennbar zusammen und wir als Deutschland treten dafür ein, dass das so ist und so bleibt. Alle internationalen Konventionen sagen das auch. Ich bin da sehr optimistisch, dass das auch in Kenia so bleibt. Ich halte das für eine nicht ungefährliche, aber zunächst mal für eine populistische Note eines Politikers.

DOMRADIO.DE: Wie kann dafür gesorgt werden, dass auch in Kenia die Menschen weiterhin frei sind in ihrem religiösen und weltanschaulichen Bekenntnis und ihre Religion ungestört ausüben können oder eben auch atheistisch leben können?

Schwabe: Kenia ist ein souveräner Staat, wie alle anderen Staaten der Welt auch. Das ist nicht immer so leicht. In Kenia kann man gar nicht einwirken, man kann mit denen reden. Aber ansonsten muss man Kenia an die internationale Gemeinschaft erinnern, in der wir sind, dass es bestimmte Regeln, bestimmte Konventionen gibt. Religions- und Weltanschauungsfreiheit: International ist das gebräuchlicher Begriff und wird mit "freedom of religion or belief". Das ist im Grunde ein untrennbarer Zusammenhang und an den muss man Kenia erinnern, in allen internationalen Foren. Das tun wir auch und auch anlässlich einer solchen Debatte.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit gehört zu den grundlegenden Menschenrechten. In Deutschland heißt es in Artikel 4 des Grundgesetzes: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich." Die ungestörte Religionsausübung - gleich welcher Konfession - soll ebenfalls gewährleistet sein.

Religionsfreiheit weltweit eingeschränkt / © N.N. (Open Doors)
Religionsfreiheit weltweit eingeschränkt / © N.N. ( Open Doors )
Quelle:
DR