DOMRADIO.DE: Kritiker sagen, dass eine Ansteckungsgefahr unter den Fußballern zu hoch sei, selbst wenn sie ständig getestet werden. Die Tests wiederum würden an der Gesamtbevölkerung fehlen. Wie bewerten Sie diesen Wiederstart der Bundesliga, der möglicherweise ansteht?
Nicolas Niermann (Geschäftsführer des DJK-Sportverbands im Erzbistum Köln): Ich glaube, es ist erst einmal unbestritten, dass das eine rein wirtschaftliche Entscheidung ist. In dem Falle würde ich es auch so bewerten. Erstmal ist es natürlich in Ordnung, wenn sich ein Wirtschaftsbetrieb darum kümmert, dass er irgendwie weiterlaufen kann. Allerdings immer unter der Prämisse, dass die Leute auch geschützt sind und die gesamtgesellschaftlichen Folgen absehbar bzw. nicht schädlich für die Gesellschaft sind.
Die Maßnahmen, die auf dem Papier getroffen wurden, klingen erst einmal gut. Jetzt im ersten Stresstest, so nenne ich das mal, mit den ersten kleinen Trainingsgruppen scheinen sie sich aber nicht unbedingt erfolgreich zu erweisen, auch wenn das vielleicht ein bisschen anders dargestellt wird. Zusammengefasst bewerte ich das sehr ambivalent. Denn es wäre vielleicht theoretisch möglich, in der Praxis allerdings ganz schwierig. Ich glaube, dass es für alle Beteiligten am besten gewesen wäre, hätte man sich damit noch mehr Zeit gelassen.
DOMRADIO.DE: Am 6. Mai soll entschieden werden, ob die Bundesliga unter diesen Voraussetzungen starten darf. Fußball lebt ja von der Stimmung im Stadion. Sind denn dann nicht solche Spiele vor nahezu leeren Stadien irrsinnig langweilig?
Niermann: Ja, total langweilig. Ich glaube auch, die Leute, die sich das anschauen werden, sind schon echte Fans oder Leute, die sich wirklich für den Fußballsport auf seiner taktischen, rein sportlichen Ebene begeistern können. An sich entsteht die Bedeutung des Spiels durch die Emotionen, die es bei den Zuschauern auslöst. Wer ein Fußballspiel ohne Zuschauer schon mal erlebt hat, der wird gemerkt haben, dass sich der ganze Reiz des Spiels auf ein Minimum reduziert. Und dem Ganzen aufmerksam zu folgen, ist sehr schwierig.
Der 1. FC Köln musste bereits am 12. März gegen Gladbach vor leeren Rängen spielen. Das war das erste Geisterspiel der Bundesliga. Der Fußball als Sport braucht diesen Resonanzkörper aus Emotionen wie alles andere auch, um der Bedeutung gerecht zu werden oder um dem überhaupt die Bedeutung zu verleihen.
DOMRADIO.DE: Kommerzieller Fußball und Wettkämpfe sind das eine. Auf der anderen Seite gibt es den Breitensport, der im Moment auch vollkommen ruht. Wie würden Sie denn zu einem Hochfahren der Aktivität von Sportvereinen, Fitnessstudios und Kursen stehen?
Niermann: Das ist auch ganz differenziert zu betrachten wie bei vielen Sachen momentan. Generell glauben wir, und das ist auch die allgemeine wissenschaftliche Meinung, dass der Sport durchaus etwas ist, was die Leute in ihrer Gesundheit, das Immunsystem und die psychische Stabilität stärkt. Deswegen wäre ein Sport, der den Leuten auf dieser Ebene hilft und sie auf der epidemiologischen Ebene nicht gefährdet, zu befürworten.
Aus unserer Sicht wäre das möglich, wenn der Sport draußen stattfindet, wenn er unter entsprechenden Hygienemaßnahmen stattfindet, also mit Abstand und ohne Körperkontakt. Wenn man das gewährleisten kann, wäre das, glaube ich, sinnvoll. Viele unserer Vereine machen sich sehr viele Gedanken darum, wie das passieren kann.
Ein anderer Aspekt wäre, dass es draußen bereits viele Leute gibt, die sich treffen, wenn die Sonne scheint. Sie nutzen die kleinen Flächen, die für alle offen sind, und bevölkern diese zahlenmässig sehr stark. Man könnte das Ganze ein bisschen entzerren, wenn die Leute, die sich bewegen wollen, ihre Runden beispielsweise auf einem Sportplatz drehen. So könnte man hilfreich dagegen arbeiten, dass es zu einer Art Rudelbildung kommt.
DOMRADIO.DE: Würde eine Öffnung von Sportplätzen also die Situation in den Grünflächen und angelegten Parks entzerren?
Niermann: Das wäre bestimmt ein Aspekt, der dem Ganzen zuträglich ist. Natürlich sehen wir ebenso die Gefahren. Wenn man jetzt Kinder, die sich noch nicht in der Schule treffen können, plötzlich auf die Sportplätze entlässt, kann es auch sein, dass die sich erst einmal um den Hals fallen. Von daher ist eine ganz differenzierte Betrachtungsweise notwendig.
Ich glaube, wenn man mit Augenmaß bestimmte Sachen wieder ermöglicht, dann haben die Vereine eine Möglichkeit, mit ihren Mitgliedern in Kontakt zu kommen. Es gibt Leute, die das wirklich brauchen und für die der Sport nicht nur Freizeitvertreib ist, sondern die das psychisch und körperlich benötigen. Diese Menschen sollen ihn auch wieder betreiben können.
DOMRADIO.DE: Mit was beschäftigen Sie sich als DJK-Sportverband im Erzbistum Köln zurzeit hauptsächlich? Überlegen Sie sich, was und unter welchen Bedingungen Sport wieder erlaubt sein könnte?
Niermann: Ja, das ist der eine Teil. Wir schauen, wo wir unsere Vereine unterstützen können. Die beschäftigen sich mit diesen Fragen sehr viel, stehen mit ihren Mitgliedern in Kontakt und wir beraten sie dahingehend, was überhaupt möglich ist. Alleine dadurch, dass sich quasi wöchentlich rechtliche Regelungen ändern, gibt es immer derartig viel nachzusteuern. Die Zeit wird nicht langweilig und es wird nicht weniger.
Der andere Teil ist, dass wir laufende Sportangebote haben, die wir beispielsweise mit großen, auch kirchlichen Verwaltern durchführen, die wir momentan auf digitaler Ebene weiterführen. Wir sind selber ganz überrascht, dass die Leute das so annehmen, wie sie es gerade tun. Es gibt einen großen Zulauf. Am Montagabend beispielsweise trifft man sich jetzt zum Rücken-Kurs, Pilates oder Yoga tatsächlich in einer Videokonferenz vor dem PC, wie man es aus dem momentanen Arbeitsleben kennt. Dieses Bedürfnis nach Kontakt, nach Austausch, nach Bewegung ist da und wird sogar in diesem Homeoffice-Setting angenommen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.