Renovabis-Chef hofft auf weniger Weichspülen bei Weltsynode

"Wieder Konturen herausbilden"

Das erste Treffen der Weltsynode in Rom hat die Halbzeit erreicht. Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer von Renovabis und nimmt auf Wunsch des Papstes daran teil. Er zieht Halbzeitbilanz und blickt darauf, was noch ansteht.

Papst Franziskus spricht während der Weltsynode am 17. Oktober 2023 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus spricht während der Weltsynode am 17. Oktober 2023 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Halbzeit. Ist die Synode schon über den Berg?

Pfarrer Prof. Dr. Thomas Schwartz (Hauptgeschäftsführer der Solidaritätsaktion und Osteuropa-Hilfswerk Renovabis): Jedenfalls die Halbzeit dieser ersten Etappe, denn nächstes Jahr geht die Weltsynode weiter. Über den Berg ist sie noch lange nicht, weil erst einmal in einer guten Art und Weise - das muss man schon sagen - Themen auf den Tisch kamen, die alle auf der ganzen Welt berühren.

Allerdings finden alle auf der Welt unterschiedlichste Antworten. Die müssen erst mal gesammelt werden, damit wir nächstes Jahr in einem weiteren Schritt zu Entscheidungen kommen, die dem Papst unterbreitet werden können.

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie die Atmosphäre des Treffens?

Schwartz: Ich nehme zum ersten Mal an einer Bischofssynode teil. Das liegt auch daran, dass ich kein Bischof bin und ich somit früher nicht die Gelegenheit hatte. Ich bin wegen dieser synodalen Entscheidungen des Heiligen Vaters in einer privilegierten Lage und erlebe die Treffen als etwas Hochinteressantes.

Auch deshalb, weil ich die Gesprächssituation der Runden Tische aus meinen Pfarreien und meiner pastoralen Tätigkeit kenne. Auf dieser Ebene der Kirche ist diese Form bislang nicht der Fall gewesen. Das führt zu einem zusammen arbeiten, zusammen sprechen, zum Teil auch zusammen beten, was ich persönlich als zumindest konstruktiv - nicht immer produktiv, aber konstruktiv - friedlich, höflich und freundlich erlebe und trotzdem unglaubliche Unterschiede zwischen den Vertretern der einzelnen Länder, Kontinente und Bischofskonferenzen wahrnehmbar bleiben.

DOMRADIO.DE: Erstmalig nehmen Laien an einer Weltbischofssynode teil, ein Viertel der Teilnehmenden. Darunter sind 54 stimmberechtigte Frauen. Wie wirkt sich das auf das Treffen aus?

Pfarrer Professor Doktor Thomas Schwartz (Hauptgeschäftsführer der Solidaritätsaktion und Osteuropa-Hilfswerk Renovabis):

"Eine erfrischende Art und Weise des miteinander Umgehens."

Schwartz: Ich würde schon sagen, dass das die Treffen sehr divers macht. Wenn eine begeisterte afrikanische Theologin und Mutter vor der Gemeinschaft der Bischöfe und Teilnehmenden voller Enthusiasmus redet, wird anders zugehört, als es der Fall gewesen wäre, wenn ein seit über 20 Jahren im Amt seiender Bischof seine Positionen wiederholt, die er in den vergangenen 20 Jahren auch immer wieder zum Besten gegeben hat. Es bringt eine erfrischende Art und Weise des miteinander Umgehens. Das sagen alle Bischöfe, die daran teilnehmen.

DOMRADIO.DE: Wie wird sich das auf den Output auswirken? Was vermuten Sie?

Schwartz: Das ist die große Frage, deren Antwort keiner kennt. Wir versuchen in unseren jeweiligen kleinen Gruppen, wo jeder seine Meinung offen äußern kann, Antworten zu geben. Ich merke, dass wirklich versucht wird, zu Kompromissen zu kommen, die die Divergenzen zeigen, aber an den Konvergenzen ausgerichtet sind. Daran, wo alle hinter stehen können.

Das hat mitunter den Nachteil, dass es weichgespült wirkt. Ich hoffe, dass die Theologinnen und Theologen, die in der zweiten Hälfte dieser Synodenversammlung dazu kommen, aus dieser Weichspülung wieder Konturen herausbilden können, die uns helfen, in dem Jahr bis zur zweiten Versammlung in den Diözesen und den kontinentalen Versammlungen über die Themen ins Gespräch zu kommen. Vielleicht findet auch in Europa noch mal eine kontinentale Versammlung statt. Das steht noch nicht fest.

Im nächsten Jahr muss es dann klarer und schärfer darum gehen, was eine synodale Kirche wirklich bedeuten soll. Dabei geht es nicht nur darum, dass man sich nett miteinander unterhält - das ist gut, das ist wichtig -, sondern dieses Miteinander Sprechen kann zu einer verfassungsgebenden Weise des zu Entscheidungen Kommens der Kirche werden.

Dann hat das Miteinander Sprechen tatsächlich inhaltlichen Charakter. Erst dann lernt man, wie unserer Kirche im nächsten Jahrhundert im Allgemeinen zu Entscheidungen kommen kann und wie man es ertragen kann, dass einzelne unterschiedliche Weltgegenden zu eigenen Entscheidungen kommen, ohne dass man sich deshalb trennt oder sich dem Vorwurf der Häresie ausgesetzt fühlen muss.

DOMRADIO.DE: Gibt es einen Punkt, der Ihnen sehr am Herzen liegt; der Ihnen sehr wichtig wäre; wo noch etwas kommen müsste?

Pfarrer Professor Doktor Thomas Schwartz (Hauptgeschäftsführer der Solidaritätsaktion und Osteuropa-Hilfswerk Renovabis):

"Autorität so zu leben, dass sie Vielfalt möglich macht. Das gilt für Rom genauso wie für jedes Bistum. Vielfalt und Einheit, das ist das Brennglas von Synodalität."

Schwartz: Ein Thema ist die Rolle der Frauen. Darüber muss vertieft weitergesprochen werden, auch mit Blick auf die Zulassung zum Diakonat. Das ist eine wichtige Aufgabe, dass wir weiter darüber reden, weiter beten, weiter nachdenken und uns unterstützen lassen. Ein zweites Thema ist, Autorität so zu leben, dass sie Vielfalt möglich macht. Das gilt für Rom genauso wie für jedes Bistum.

Vielfalt und Einheit, das ist das Brennglas von Synodalität. Wie schaffen wir das? Wie kriegen wir hin, dass unterschiedliche Wege zu einem Leben möglich sind und diese sich trotzdem als Gemeinschaft, als Familie verstehen? Da bitte ich Sie, euch alle mit zu beten. Denn das ist nicht nur eine politische Entscheidung, sondern das ist eine geistliche Entscheidung.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

Renovabis

Renovabis ist das jüngste der sechs katholischen weltkirchlichen Hilfswerke in Deutschland. Es wurde im März 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine mehrwöchige bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland.

Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet "Du wirst erneuern".

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Quelle:
DR