Kölnische Gesellschaft engagiert sich gegen Antisemitismus

Rote Karte gegen Diskriminierung

Die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Neben den Planungen zum Jubiläum ist aber der Kampf gegen Antisemitismus wieder ins Zentrum des Handelns gerückt.

Kundgebung gegen Antisemitismus / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie feiern Ihr 60-jähriges Bestehen. Hätten Sie nach all der Zeit und all der Aufklärung gedacht, dass das Thema Antisemitismus wieder einmal so besorgniserregend aktuell werden könnte?

Hannelore Bartscherer (Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit): Nein, ganz ehrlich nicht. Dass wir uns ganz aktuell und dass wir uns ganz praktisch in die alltägliche Diskriminierung wieder einschalten müssen, dass Antisemitismus in der Mitte unserer Gesellschaft wieder wächst, das habe ich mir und haben sich viele von uns in der Kölnischen Gesellschaft so nicht vorgestellt. Ich finde es beschämend, bedrückend und empörend.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn eine Erklärung, wie das sein kann, dass sich so viele ganz offen Antisemitismus wieder auf ihre Fahnen schreiben?

Bartscherer: Ja, es gibt ja viele Erklärungen. Es gibt versteckten Antisemitismus, es gibt offenen Antisemitismus. Dieser versteckte Antisemitismus ist meines Erachtens viel gefährlicher. Zum Beispiel wird Kritik am Staat Israel von denen, die es tun, nicht als Antisemitismus vorgestellt. So nach dem Motto: 'Man wird ja wohl noch sagen dürfen...' Oder: 'Ich bin überhaupt nicht antisemitisch, aber...' Das sind Dinge, die verbrämt Antisemitismus sind und die einem an ganz vielen Stellen in unserer Gesellschaft begegnen. Es gibt viele Erklärungen dafür. Aber ich glaube, dass es einen Grundstock gibt, der immer wieder mit alten Feindbildern auftritt. Wenn Dinge schief laufen, muss es einen Sündenbock geben und an der Stelle bietet sich dann immer wieder so etwas an.

DOMRADIO.DE: Sie versuchen natürlich gegenzusteuern, haben jetzt gerade Ihr Geburtstagsprogramm zum 60-jährigen Bestehen vorgestellt. Da ist eine Ausstellung geplant: "Du Jude - alltäglicher Antisemitismus in Deutschland". Was ist das für eine Ausstellung?

Bartscherer: Diese Ausstellung soll einfach aufrütteln und darauf aufmerksam machen, dass Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft existiert. Wir haben nicht umsonst "Du Jude" als überschrift genommen, denn wenn "du Jude" als Schimpfwort zum Beispiel in der Schule auf Schulhöfen oder im alltäglichen Umgang Jugendlicher ein gängiges Wort ist, dann müssen wir mit ganz vielen Dingen darauf aufmerksam machen - unter anderem mit dieser Ausstellung.

Das ist die rote Karte, die wir da zeigen. Und da wenden wir uns ganz besonders an Jugendliche, weil ich glaube, das Schimpfwort "Du Jude" wird oft gedankenlos ohne Hintergrund verwendet, ist im gängigen Sprachgebrauch, ohne zu reflektieren, was das denn eigentlich heißt. Und da kommt auf uns als Gesellschaft und besonders in unseren Schulen eine Aufgabe zu, der wir noch mal ganz anders nachgehen müssen. Ich glaube, da ist viel Luft nach oben.

DOMRADIO.DE: Seit einiger Zeit gibt es auch einen Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung. Sie erwarten Felix Klein auch zu Ihrer Ausstellungseröffnung. Welche Erwartungen haben Sie an ihn?

Bartscherer: Ich denke mal, alleine schon, dass es diesen Antisemitismus Beauftragten der Bundesregierung gibt, ist ein wichtiges Zeichen auch in unsere Gesellschaft hinein. So traurig es ist, dass es den geben muss. Aber dass er kommt und dass er die Ausstellung eröffnet, zeigt auch die Dimension, die auch an der Stelle bundesweit gesehen wird. Und diese Ausstellung wird auch in andere Städte wandern, nach Düsseldorf zum Beispiel.

DOMRADIO.DE: Sie haben noch weitere Projekte: "Rote Karte gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus" zum Beispiel. Was ist das für ein Projekt?

Bartscherer: Die "Rote Karte gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus" ist ein Projekt, was sich an junge Menschen richtet, was es schon länger gibt und was aus meiner Sicht sehr erfolgreich läuft. Junge Menschen, die sich in Projekten an Wochenenden wirklich mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzen und selbst Strategien entwickeln und sich klarmachen, wo sind wir, wie können wir reagieren und wie können wir uns stark machen für unsere Aufgabe, immer wieder Nein zu sagen. Rote Karte heißt, immer wieder Nein zu sagen und auf der Grundlage des Grundgesetzes - die Würde des Menschen ist unantastbar - Stellung zu beziehen und zu sagen: Mit mir nicht.

DOMRADIO.DE: Wie in jedem Jahr wird es auch dieses Jahr zum Gedenken an den Novemberpogrom von 1938 ein Konzert in der katholischen Kirche Groß St. Martin geben. Ihre Gesellschaft heißt ja Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Welche Rolle spielt da der interreligiöse Dialog?

Bartscherer: Ich glaube, der interreligiöse Dialog ist gerade für eine Gesellschaft wie unsere unendlich wichtig. Alles, was wir tun, ist auf Dialog hin angelegt. In den letzten Jahren war die Kirche Groß St. Martin für dieses Konzert immer wieder ein Rahmen, der großartig war. Der Deutsch-Französische Chor, der da singt, mit den Musikern, die da spielen, das ist ein wirklich beeindruckendes Konzert. Und die Kirche ist immer voll. Und ich kann alle nur dazu einladen, sich den Termin im Kalender einzutragen ("Da Pacem", Groß St. Martin, 17. November 2018, 20 Uhr). Es ist wirklich eine eine gute Veranstaltung. Sie setzen mit Ihrem Kommen auch ein Zeichen gegen Diskriminierung, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Antisemitismus, gegen Hass und gegen Ausgrenzung. Es ist ganz wichtig.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Hannelore Bartscherer (DR)
Hannelore Bartscherer / ( DR )
Quelle:
DR