DOMRADIO.DE: Die gesamte Sahelzone ist von extremer Dürre betroffen. Um welche Länder geht es da?
Marita Schmid (Referentin von missio München): Es geht um die Länder Senegal, Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad.
DOMRADIO.DE: Sie von missio sind über ihre Partner ganz nah dran an der Lebenswirklichkeit der Menschen dort. Was berichten Ihre Partner im Moment?
Schmid: Wir haben vor allem enge Kontakte nach Burkina Faso. Unsere Partner berichten, dass dort knapp 500.000 Tonnen Getreide fehlen. Das betrifft 22 Kommunen des Landes, die sich in einer akuten Nahrungsmittelkrise befinden. Der Vorrat reicht einfach nicht aus. Und zehn von diesen betroffenen Kommunen befinden sich in der Diözese Kaya, mit der wir von missio München schon seit langer Zeit in engem Kontakt stehen. Das sind 165.000 Menschen, die hier von der Nahrungsmittelkrise betroffen sind.
Konkret heißt das im Moment, dass viele Familien nur einmal am Tag essen und dass die Preise für Getreide enorm gestiegen sind. Gerade arme Familien können es sich eigentlich nicht mehr leisten, Nahrung zu kaufen. Viele Kinder haben demzufolge auch nicht genug zu essen und gehen nicht mehr zur Schule, um Kosten und Kräfte zu sparen. Andere Familien verkaufen ihr Hab und Gut, also ihre Tiere, ihre landwirtschaftlichen Gerätschaften, um Geld für Nahrungsmittel zu haben.
Ein weiteres Problem ist, dass junge Menschen nun versuchen in die Städte zu gehen, um dort die Arbeit zu finden. Sie fehlen dann aber als Arbeitskräfte auf dem Land.
DOMRADIO.DE: Die Leute leiden jetzt schon an Hunger und müssen irgendwie versuchen sich zu arrangieren. Aber Sie warnen davor, dass es sich noch weiter zuspitzt. Wer wäre denn am härtesten betroffen, wenn sich diese Dürre tatsächlich zu einer Katastrophe auswächst?
Schmid: Betroffen sind vor allem arme Familien, die kein oder wenig Einkommen haben. In Burkina Faso sprechen wir von circa 40 Prozent der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze lebt. Das heißt, diese Menschen haben nur circa einen Euro am Tag zur Verfügung. Wir sprechen von Kindern zwischen Geburt und fünf Jahren, die akut von Unterernährung oder Mangelernährung betroffen sind. Unser Projektpartner aus Kaya hat es so formuliert: "Die Neugeborenen werden jetzt in eine Welt ohne Nahrungsmittel hineingeboren". Zudem ist die Situation natürlich auch für schwangere Frauen und stillende Mütter sowie alte Menschen, die sich selbst gar nicht versorgen können, schwierig.
DOMRADIO.DE: Was ist zu tun, um das Schlimmste doch noch zu verhindern?
Schmid: Die Regierung hat schon um internationale Hilfe gebeten. Aber sie kann das anscheinend alleine nicht stemmen. Dringend ist, dass man Nahrungsmittel an bedürftige Haushalte verteilt – zumindest von jetzt bis Oktober, bis die nächste Ernte eingefahren werden kann. Man muss sich um die Kinder kümmern, die unter- oder mangelernährt sind.
Was man auch nicht vergessen darf: Jetzt müssten die Menschen eigentlich ihre Felder bestellen. Aber sie haben kein Saatgut, weil sie letztes Jahr so wenig ernten konnten. Man sollte den Familien helfen, dass sie als Bauern ihre Felder bestellen können und sie mit Saatgut und Gerätschaften versorgen, sodass sie auch nicht gezwungen sind, jetzt ihr letztes Hab und Gut zu verkaufen.
Wir von missio München unterstützen auch unsere Projektpartner in der Diözese Kaya genau dabei, dass Nahrungsmittel und Getreide jetzt direkt an Bedürftige verteilt werden und dass Bauern gestärkt werden, um über die Runden zu kommen.
DOMRADIO.DE: Die Menschen in der Region leiden aber nicht nur unter ausbleibendem Regen und schlimmer Trockenheit, oder?
Schmid: Das kommt tatsächlich noch mehr dazu. Man kann einige Dinge aufzählen: Da ist zum Beispiel die fehlende Infrastruktur im Bildungssektor. Es gibt zu wenig Schulen, zu wenig Ausbildungsmöglichkeiten, zu wenige Arbeitsplätze und es herrscht eine sehr hohe Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen. Die Jugendlichen gehen in die Städte und versuchen dort Arbeit zu finden. Sie fehlen dann als Arbeitskräfte auf den Feldern ihrer Eltern.
Ein Problem ist auch, dass zum Beispiel in Burkina Faso Ressourcen direkt exportiert werden und nicht im Land verarbeitet werden - wie Gold oder Baumwolle. Man könnte eigentlich in diesem Bereich Arbeitsplätze schaffen.
Dann gibt es zu wenig Infrastruktur im Gesundheitsbereich. Das heißt, es gibt zu wenig Ärzte, zu wenige Krankenstationen und zu wenige Krankenhäuser. Schließlich ist auch das große Bevölkerungswachstum in diesen Ländern und auch in Burkina Faso ein Problem.
Das ist jetzt und auch in der Zukunft die Herausforderung. Wie schafft man es, dass alle Menschen dort ein würdiges Leben führen können, dass sie sich ausreichend versorgen können und dass es einfach genügend Infrastrukturen für die Versorgung von allen gibt?
DOMRADIO.DE: Was also ist Ihr Appell von missio?
Schmid: Wir von missio wollen natürlich unsere Partner vor Ort stärken, dass sie die Lebensumstände der Menschen vor Ort auch verbessern können, sodass die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können - selbstbestimmt und in Würde.
Wir wollen an Politik und Wirtschaft appellieren, sich für eine gerechte Welt einzusetzen, in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen und sich auch zu entfalten. Also sich auch für fairen Handel, für gerechte Löhne einzusetzen und endlich auch Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Denn der trifft ja die Armen, wie man jetzt gerade in der Sahelzone auch sehen kann. Und natürlich hilft auch jede Spende von Privatpersonen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.