DOMRADIO.DE: Vor drei Jahren hatte Frankreichs Präsident Macron angekündigt, dass der Wiederaufbau innerhalb von fünf Jahren stattfinden soll. Drei Jahre sind herum. Wie sieht es denn aus mit dem Stand der Bauarbeiten?
Prof. Dr. Barbara Schock-Werner (Ehemalige Kölner Dombaumeisterin und Koordinatorin für deutsche Hilfen beim Wiederaufbau von Notre-Dame): Man konnte bis jetzt das ganze Gebäude sichern, was schwierig genug war. Es sind keine weiteren Gewölbe eingestürzt, was ja lange die Gefahr war. Es war auch sehr mühsam, das verbogene und in sich verschweißte Gerüst, von dem der Brand wohl ausging, abzubauen. Im Moment ist die ganze Kirche innen und außen komplett eingerüstet und mit sehr vielen Mitarbeitern laufen die Arbeiten weiter.
Jetzt werden wohl als nächstes die Gewölbe geschlossen. Es gibt drei große und ein kleines Loch in den Gewölben. Die anderen Gewölbe sind gesichert. Das wird der nächste Schritt sein und die Wände werden gesäubert und so weiter. Die Arbeiten laufen sehr gut. Sie sind gut organisiert. Der Kollege in Paris, Philippe Villeneuve, macht eine sehr gute Arbeit. Aber das ist natürlich sehr anstrengend.
Ein Problem, das die Kirche hat, ist, dass das Mauerwerk noch sehr nass ist. Der andere Kollege meint, es dauert wohl insgesamt zehn Jahre, bis der Bau wieder komplett ausgetrocknet ist. Das ist natürlich noch schwierig und wird wohl die Folge haben, dass auch später noch mal, also nach der vollkommenen Austrocknung, gewisse Nacharbeiten nötig sein werden.
DOMRADIO.DE: Das hört sich aber so an, als ob man noch jahrelang darauf warten müsste, bis die Kathedrale wieder zu besuchen ist?
Schock-Werner: Nein, das eiserne Ziel auch des Kollegen in Paris ist tatsächlich zu Beginn der Olympischen Spiele – das war ja das Ziel, was Macron vorgegeben hat, die Kirche wieder betreten zu können. Und auch der Kollege hat den eisernen Willen, dieses Ziel zu erreichen. Ob dann auch schon der Dachstuhl komplett fertig ist und der Vierungsturm, das kann ich noch nicht sagen. Aber der Innenraum wird – so keine weiteren Unglücke passieren – wohl tatsächlich wieder zu betreten sein.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich denn die Corona-Pandemie auf die Restaurierungsarbeiten ausgewirkt?
Schock-Werner: Das war natürlich furchtbar. Ein halbes Jahr war die ganze Baustelle geschlossen. Und da auch die Arbeiten bis jetzt im Innenraum nur in Schutzanzügen passieren können wegen der hohen Belastung, fand die ganze Restaurierung auch unter erschwerten Bedingungen statt.
DOMRADIO.DE: Hat sich denn die Hilfe aus Deutschland in den letzten drei Jahren in irgendeiner Weise verändert?
Schock-Werner: Nachdem ich die Situation vor Ort kennengelernt habe und den Kollegen, war mir auch klar, dass es wenig Sinn macht, deutsche Handwerker auf die Baustelle vermitteln zu wollen. Deshalb habe ich den Plan entwickelt, dass Deutschland mit dem Geld, das hier gesammelt worden ist, die Restaurierung eines Teils der Obergaden-Fenster ausführt. Die Fenster oben wurden alle ganz schnell ausgebaut, um den oberen Bereich der Kirche stabilisieren zu können. Die Öffnungen wurden mit Holz ausgesteift und die Fenster kamen in Kisten.
Wo die Fenster dann restauriert werden, ist eigentlich egal. Deutschland hat große Fähigkeiten und auch einen guten Ruf für Glasrestaurierungen. Deshalb habe ich angeboten, dass wir einen Teil der Fenster restaurieren. Das war ein bisschen ein längerer Prozess. Zuerst dachte ich, dass sie an drei Stellen in Deutschland restauriert werden. Es lief aber darauf hinaus, dass sie in Köln restauriert werden sollen. Und das werden sie in den nächsten Monaten tatsächlich.
DOMRADIO.DE: Jetzt wird ja in Frankreich gerade eine neue Regierung gewählt. Am 24. April wird es eine Stichwahl geben zwischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und seiner Herausforderin Marine Le Pen. Wird der Ausgang der Wahl irgendeinen Einfluss haben auf die Restaurierung der Kathedrale?
Schock-Werner: Ich glaube nicht. Ich habe nie eine Stellungnahme von Marine Le Pen gehört zur Restaurierung der Kathedrale. Aber ich glaube nicht, dass sie das jetzt irgendwie behindern wird. Das ist ja geradezu Nationalstolz und passt genauso in ihr Konzept wie in das von Macron. Also ich denke nicht, dass es da Auswirkungen geben wird, hoffe aber, dass natürlich Macron – und zwar wegen Europa – die Wahl gewinnt, gar nicht so sehr wegen der Kirche.
Das Interview führte Heike Sicconi.