DOMRADIO.DE: Was ist denn der Sharing-Ansatz und warum ist das so wichtig für unsere Gesellschaft?
Christian Weingarten (Schöpfungsbeauftragter des Erzbistums Köln): Sharing heißt einfach teilen, also Dinge von mehreren Personen zu nutzen. Es geht darum, dass ich nicht allein nur etwas besitze und das nur allein nutze, sondern ich nutze etwas, was von der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird oder von Unternehmen.
Zum Beispiel können beim Carsharing ganz viele verschiedene Nutzer darauf zugreifen. Oder jetzt gerade auf dem Weg in die Redaktion bin ich den diesen E-Rollern begegnet, die ja auch letztendlich diesem Ansatz folgen. Nicht jeder und jede besitzt den eigenen Roller, sondern es gibt einen Roller und den kann man dann und wann nutzen. Dinge gemeinsam zu nutzen heißt letztendlich, dass wir weniger Dinge brauchen.
DOMRADIO.DE: Wie können solche Projekte wirklich zur Nachhaltigkeit beitragen?
Weingarten: Man sagt, ein Carsharing-Auto ersetzt in der Stadt mehrere Privatautos. Das heißt erst mal, wir brauchen viel weniger Platz für Parkplätze. Wir könnten viel mehr Grünflächen haben. Aber das heißt gleichzeitig auch, es sind viel weniger Autos, die produziert werden.
Es gibt dieses Beispiel der Bohrmaschine, die privat im Durchschnitt nur wenige Minuten in der Lebenszeit tatsächlich benutzt wird. Warum brauchen wir in jedem Haushalt eine Bohrmaschine? Warum können sich nicht drei oder vier Nachbarn eine gute Bohrmaschine teilen, die dann von allen genutzt wird?
Ich glaube, gerade unter dem Aspekt, dass wir Ressourcen sparen, damit das nicht alles hergestellt werden muss, ist eigentlich das Wichtigste und das Nachhaltigste beim ganzen Sharing-Ansatz.
DOMRADIO.DE: Wo sehen Sie Schwachstellen?
Weingarten: Man hat es nicht alles in der eigenen Hand. Also wenn ich in ein Carsharing-Auto einsteige, weiß ich nicht, ob es sauber ist oder jemand vor mir ein bisschen Dreck hinterlassen hat.
Was wir mit unseren Kindern machen, ist, im Winter Schlafsäcke zu mieten. Den braucht man auch nur eine kurze Phase, denn dann wachsen die Kinder schnell raus. Also der wird gemietet, dann wieder zurückgeschickt. Und dann mieten andere Personen das.
Klar, die sind dann nicht immer im neuesten Zustand, wenn man die bekommt. Das kann für manche eine Hürde sein. Und trotzdem, glaube ich, ist die Funktion die gleiche. Deswegen ist es auch ein Wandel in der eigenen Gewohnheit und den Gedanken, dass man auch was Gebrauchtes nimmt, wenn die Funktion noch gut ist, auch wenn es vielleicht andere schon genutzt haben.
DOMRADIO.DE: Was macht denn in dem Sharing-Bereich die katholische Kirche?
Weingarten: Es gibt ja viele Büchereien in katholischer Trägerschaft. Da gibt es zum Beispiel die ersten "Bibliotheken der Dinge", in denen nicht nur Bücher angeboten werden.
Es gibt zum Beispiel eine große Kiste, wo Materialien darin sind für einen Kindergeburtstag. Das heißt, ich muss nicht für jeden Kindergeburtstag alles neu kaufen. Sondern ich leihe mir das in der Bücherei aus oder andere Dinge, die ich selten brauche. Das ist ein total schöner Ansatz, den es schon in kirchlichen Einrichtungen gibt, um diesen Sharing-Ansatz weiterzutragen.
DOMRADIO.DE: Welche Sharing-Bereiche kann man sich noch vorstellen?
Weingarten: Was ganz stark nach der Corona-Pandemie gekommen ist, ist das ganze Sharing von Arbeitsplätzen. Also immer mehr sind im Homeoffice und immer mehr Büros werden umgestellt.
Wenn man ohnehin nur zwei Tage die Woche da ist, dann reicht es auch, wenn verschiedene Leute einen Arbeitsplatz benutzen. Ich glaube, da hat sich in den letzten zwei Jahren ganz viel getan. Das ist ein ganz großer Punkt neben dem ganzen Bereich Mobilität, neben den Sharing-Angeboten von Autos, Fahrrädern oder Rollern. Ich glaube, der Arbeitsbereich ist ein ganz großer Punkt, wo man Dinge teilen kann, um einfach weniger Platz zu verbrauchen.
Das Interview führte Lara Burghardt.