DOMRADIO.DE: Die Rede ist von hunderttausenden Seeleuten weltweit, die über Monate isoliert auf den Meeren leben und die auch in den Häfen ihre Schiffe kaum verlassen können. Was wissen Sie über die Situation der Seeleute?
Monica Döring (Leiterin der katholischen Seemannsmission "Stella Maris" in Hamburg): Es ist sehr unterschiedlich, je nachdem aus welchem Heimatland die Seeleute kommen. Aber was man insgesamt sagen kann ist, dass sie wirklich kaum die Schiffe verlassen dürfen, selbst wenn sie im Hafen sind. Ihr Recht auf Landgang kann im Moment nicht eingefordert werden, weil natürlich die Reedereien und Kapitäne sehr große Angst davor haben, dass Corona an Bord kommen könnte. Das hat zur Folge, dass mit Vertragsbeginn und dann zu dem hoffentlich pünktlichen Ende - wo man nie weiß, weil man nicht weiß, ob der Crew-Wechsel eben funktioniert oder nicht - das Schiff nicht verlassen werden kann. Das heißt man sitzt fest auf einem riesigen Kasten aus Metall, der über die Meere fährt.
DOMRADIO.DE: Und man hat somit natürlich auch keinen Kontakt zu den Familien.
Döring: Das ist immer schwierig. Jetzt natürlich nochmal besonders, weil die Seemannsclubs, zu denen die Seeleute kommen können, ansonsten freies Internet anbieten. Das heißt wir versuchen im Moment so gut wie möglich dafür zu sorgen, dass die Seeleute Telefonguthaben haben und dass sie Zugang zum Internet haben. Wir haben inzwischen mobile Internethotspots, die wir den Schiffen solange sie in Hamburg sind, ausleihen können, damit dadurch der Kontakt zu den Familien gehalten werden kann.
DOMRADIO.DE: Wie gehen die Seeleute selbst mit Ihrer Lage und dieser Unsicherheit gerade um? Was bemerken Sie in Hamburg?
Döring: Sie machen gute Miene zum bösen Spiel. Natürlich sind sie froh, dass sie Arbeit haben und dass sie weiterhin Ihre Familie unterstützen können. Viele Seeleute sehen ja auch die prekäre Situation Zuhause, also die Arbeitsmöglichkeiten vor Ort werden immer schwieriger und immer schlechter. Und von daher sind sie froh, dass sie Arbeit haben. In dem was wir hören als Dank dafür, dass wir ans Schiff kommen, dass wir Internet bringen usw. wird deutlich, dass die Not einfach da ist.
DOMRADIO.DE: Die Deutsche Seemannsmission fordert jetzt, dass alle Seeleute weltweit schnell gegen das Coronavirus geimpft werden. Warum ist es so wichtig, dass Seeleute tatsächlich jetzt geimpft werden? Was sagen Sie?
Döring: Da gibt es verschiedene Gründe. Unsere evangelischen Kollegen sind da sehr gut aufgestellt und wir sind sehr froh, dass sie sich bemerkbar machen. Das erste ist natürlich aus unserer Sicht ganz egoistisch, da möchten wir als Konsumenten in Deutschland, dass der Seehandel funktioniert und dafür sind einfach Seeleute unerlässlich. Aber natürlich ist das Elend viel größer was dahintersteht, dass die Seeleute die Schiffe im Moment nicht verlassen können. Und das könnte dadurch geändert werden, dass sie eben geimpft wären und dann tatsächlich Landgang bekommen könnten zwischendurch. Inzwischen sind Seeleute als systemrelevant anerkannt, aber die Umsetzung lässt eben noch ganz viel auf sich warten.
DOMRADIO.DE: Stichwort impfen, da lässt die Umsetzung tatsächlich in vielen Bereichen auf sich warten. Was meinen Sie denn, wie schnell könnte das gehen?
Döring: Eine große Herausforderung wird sein, wer sich dafür verantwortlich fühlt. Also sind es die Heimatländer, ist es die Flagge unter der das Schiff fährt, ist es das Land in dem die "manning agency", also die Personalagentur für die Seeleute sitzt, und und und… Dazu kommt, die Seeleute sind uns "Landratten" ausgeliefert. Also die dürfen nicht von den Schiffen runter, aber an den Häfen kommen natürlich auch Hafenarbeiter an Bord unter anderem. Und darüber hat der einfache Seemann keine Kontrolle und weiß dann eben nicht, ob dadurch doch Corona an Bord kommt. Und wie geht es dann weiter? Also wie schnell das umgesetzt werden kann bleibt offen, aber umso wichtiger ist es, dass es Stimmen gibt, die deutlich machen, dass Seeleute wichtig sind und die Impfung brauchen. Auch wenn wir die Seeleute selbst oft nicht sehen in den Hafenstädten wie Hamburg oder jetzt im Moment natürlich gar nicht sehen.
DOMRADIO.DE: Die Deutsche Seemannsmission hat sich dazu jetzt geäußert, wir haben es gerade besprochen. Wie werden Sie das noch tun?
Döring: Wir werden das, so wie jetzt im Gespräch, weiterhin in unseren Netzwerken unterstützen. Also wir sind alle zusammengeschlossen in der ICMA, das ist der Zusammenschluss aller christlichen Seemannsmissionen, Stella Maris ist ein weltweites Netzwerk mit Vertretung in Rom, sodass wir darüber auch versuchen können die kirchliche Schiene zu nutzen, um dann eben Öffentlichkeitsarbeit zu machen und zu sagen: Seeleute sind wichtig.
Das Interview führte Carsten Doepp.