Himmelklar: Es gibt ja viele Menschen, die mit Kirche, Gott und Jesus nicht viel anfangen können. Was raten Sie diesen Menschen, wenn Sie mit ihnen ins Gespräch kommen?
Bernd Keller (Ehe- und Familienseelsorger im Landkreis Bad Kissingen): Im Grunde ist ja jeder Mensch in der Verbundenheit mit dieser Welt, die wir nicht sehen können. Wir sehen den Himmel, können ihn aber nicht berühren. Er ist aber über uns ausgespannt. Deswegen ist, glaube ich, das Entscheidende, dass wir nie Religiosität absprechen.
Menschen glauben. Sie fragen nach Sinn: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Eine Seelsorgerin oder ein Seelsorger ist nicht dafür da, Antworten zu geben auf nicht gestellte Fragen, sondern dafür, den Raum zu öffnen für die Begegnung mit sich selbst, mit sich im Einklang zu sein und dann wieder bereit zu sein für die Welt, um in den Kontakt zu kommen.
Insofern würde ich aus der Erfahrung über Jahrzehnte als Seelsorger sagen, man sollte in den Menschen nicht irgendetwas hineinbeten, sondern man begleitet Menschen. Man hört hin und ist da, um die Fragen, die im Leben auftauchen, zur Geltung kommen zu lassen und zur Welt kommen zu lassen. Das entlastet Menschen in ihrer Seele oft genug. Und da sind Menschen dann zutiefst religiös.
Himmelklar: Dabei geht es im Prinzip um ein gutes Leben und darum, dass jeder Mensch nach Sinn und Erfüllung sucht. Jetzt ist natürlich die große Frage: Wie kann ein gutes Leben gelingen? Sie haben dafür eine sehr greifbare und konkrete Antwort.
Keller: Dafür können Sie einfach mal die Hand öffnen und die fünf Finger betrachten. Jeden dieser fünf Finger können wir kurz beschreiben. Und zwar beschreiben wir den Daumen mit Schlaf, den Zeigefinger mit Bewegung, den Mittelfinger mit Sinn und Spiritualität, den Ringfinger mit Beziehung und Beziehungen und schließlich den kleinen Finger mit Arbeit und Tätigkeit.
Siehe da, wenn ich oft in den Gesprächen frage: Was ist denn bei Ihnen gerade ganz oben auf Platz eins? Dann sagen viele: Ich bin ganz engagiert, ich bin ganz viel in der Arbeit, ich engagiere mich im Ehrenamt usw. und so fort. In dieser Aufzählung an einer Hand ist alles gleich wichtig, aber wichtig ist, dass es mit dem beginnt, was wir notwendigerweise zum Leben brauchen, nämlich den Schlaf. Wenn wir nicht schlafen, können wir uns nicht bewegen. Wenn wir uns nicht bewegen, können wir nicht wirklich Beziehungen und Sinn finden. Wenn wir keine sinnvolle Wirklichkeit erfahren und keine Beziehungen, in denen wir uns als Menschen begegnen, werden wir auch in der Tätigkeit, in der Arbeit, im Ehrenamt, ja, wofür eigentlich da sein?
Wir werden gewissermaßen schlaflos, nicht wach und oft auch nicht hörend in der Begegnung miteinander das Leben verbringen. Wir werden aber nicht wirklich den Himmel auf Erden aufbauen.
Himmelklar: Jetzt steht Weihnachten kurz bevor, was wünschen Sie sich denn für die Menschen zu Weihnachten?
Keller: Tatsächlich Frieden. Ich bin in diesem Jahr in einem Konzert von Michael Patrick Kelly gewesen. Der hat die sogenannte "Peace Ball" bei seinen Konzerten dabei. Diese "Peace Bell" schlägt er mitten im Konzert als eine Schweigeminute für den Frieden. Und genau das ist ja Weihnachten im Kern – eine heilige, eine stille Nacht.
Diese Stille vermissen wir zu oft und jagen ihr ja sogar nach. Und wenn wir rennen, wenn wir schnell sind, werden wir ganz gewiss nicht die Stille finden, geschweige denn den Frieden. Deswegen Frieden. Das ist ja das, was uns der Knabe im lockigen Haar im Kern verspricht und uns auch als Friedensbringer schenken will.
Himmelklar: Nun würde ich gerne noch auf ein spannendes Projekt des Goldschmieds Malte Meinck zu sprechen kommen, in das Sie involviert sind. Da wurden Schmuckstücke in Form von Kreuzen hergestellt. Und sie haben die Form der Kreuze auf der katholischen und der evangelischen Kirche in Bad Kissingen. Und Sie beziehen diese Kreuze in Ihre Arbeit als Seelsorger mit ein, wie machen Sie das?
Keller: Ich habe mich letzte Woche mit dem Goldschmied getroffen und darüber gesprochen, wie wir im Januar weitermachen. Es ist im Prinzip zutiefst Seelsorge, indem wir dieses Kreuz in seiner Form begreifen.
Ich versuche, mit ihm dieses Kreuz als Zeichen für die innere Haltung zu verstehen. Die Horizontale des Lebens steht für das so wichtige zwischenmenschliche Leben. Das geht bis in die sozialen Medien hinein, sodass wir kaum mehr eine ruhige Minute haben, diese Horizontale, die im Kreuz liegt, wird aber durchbrochen und durchkreuzt von der Vertikalen, die Himmel und Erde verbindet.
Da ist das Ziel, was ich mir für die nächsten Jahre vorgenommen habe, dass wir diese Verbindung von Himmel und Erde, die eine zutiefst menschliche ist, durch Aufstellkreuze beispielsweise stärken können. Viele Menschen gehen nicht mehr in die Kirche, aber sind doch Glaubende und auf der Suche nach Sinn. Da bin ich überzeugt, dass dieses "Minus zum Plus", diese Botschaft des Weihnachtsfestes von Jesus selbst, den Frieden für Menschen bringen kann – und nicht erst am Schluss, wenn es heißt "Ruhe in Frieden".