Sinkende Kirchensteuereinnahmen verlangen nach kreativen Lösungen

Was kann die Kirche sich noch leisten?

Mit sinkenden Mitgliederzahlen werden auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer künftig sinken. Was wird die Kirche sich dann noch leisten können und wäre ein von vielen geforderter Systemwechsel sinnvoll? Ein Blick auf andere Modelle.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Kirchensteuer / © Christian Ohde (epd)
Kirchensteuer / © Christian Ohde ( epd )

DOMRADIO.DE: In Österreich können Katholiken ab dem kommenden Jahr einen Teil ihres Kirchenbeitrags gezielt einem bestimmten Zweck widmen. Wie funktioniert das System? 

Dr. Anna Ott / © Anna Ott (privat)
Dr. Anna Ott / © Anna Ott ( privat )

Dr. Anna Ott (Leiterin Stabsstelle Kirchenrecht im Bistum Mainz): In Österreich ziehen die Kirchen ihre Kirchensteuer selbst ein, das ist anders als in Deutschland. Deswegen ist es verwaltungstechnisch einfacher, diesen Schritt zu gehen. 

Die neuen Regeln sehen vor, dass für die Verwendung von bis zu 50 Prozent des gezahlten Kirchenbeitrags einer von zehn kirchlichen Zwecken ausgewählt werden kann, zum Beispiel Beratungs- oder Bildungsstellen, aber auch Arbeit im Bereich Weltkirche oder Umwelt. Das stärkt natürlich die Identifikation mit dem Zweck der Zahlung. 

DOMRADIO.DE: Wäre das auch ein Modell für Deutschland? 

Ott: In Österreich ist es einfacher umzusetzen, weil die Kirchen das Geld selbst einziehen. In Deutschland hätten wir die Problematik, dass wir mit den staatlichen Behörden einen Modus finden müssten, wie man diese Mitbestimmung praktisch erreichen könnte. Aber die Idee an sich ist gut, man müsste sie diskutieren und schauen, ob man nicht auch hier ähnliche Wege findet. 

Anna Ott

"Das Problem ist, dass die Kirchensteuerkaufkraft aufgrund von Inflation und Preissteigerungen sinken wird."

DOMRADIO.DE: Nach Berechnungen der "Freiburger Studie" aus dem Jahr 2019 werden evangelische und katholische Kirche in Deutschland bis 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren und damit auch einen gewaltigen Teil der Kirchensteuereinnahmen. Andere Studien besagen, dass ein Rückgang der Kirchenmitgliedschaft nicht automatisch ein Rückgang der Kirchensteuern bedeutet. Das liegt vor allem an den Einkommenszuwächsen der Reicheren und die treten – auch das kann man statistisch beobachten – seltener aus der Kirche aus als Menschen mit niedrigem Einkommen. Was stimmt denn jetzt?

Ott: Da muss man zwischen zwei Ebenen unterscheiden: Das eine sind die nominalen Kirchensteuereinnahmen, die werden möglicherweise in den kommenden Jahren steigen, wie es auch in den vergangenen Jahren der Fall war. 

Das Problem ist, dass die Kirchensteuerkaufkraft aufgrund von Inflation und Preissteigerungen sinken wird. Das heißt, die Ausgaben der Kirchen werden höher, aber die Kirchensteuerkaufkraft wird deutlich sinken. Am Ende wird die Wahrheit vermutlich irgendwo zwischen den beiden Thesen liegen. 

DOMRADIO.DE: Was hätte das für Folgen? 

Ott: Man wird auf zwei Ebenen damit umgehen müssen: Auf der einen Seite wird man Einsparungen vornehmen bzw. priorisieren müssen, was wir als Kirche noch bezahlen können und wollen, was zu unserem Portfolio gehören soll und welche Dinge man dann nicht mehr finanziert. 

Und auf der anderen Seite muss man neue Finanzierungsquelle finden, damit die Kirchen auf Dauer nicht nur auf die Kirchensteuer angewiesen sind, die derzeit den größten Anteil an den Einnahmen ausmachen. 

DOMRADIO.DE: Die Kirchensteuer, wie wir sie in Deutschland haben, ist einzigartig, vor allem, weil der Staat sie für die Kirchen einzieht. Wie kam es überhaupt dazu? 

Ott: Im 19. Jahrhundert waren Staat und Kirche gemeinsam verantwortlich für die Finanzierung der Wohlfahrt und anderer Bereiche. Die Ausgaben stiegen, während zugleich die Einnahmen durch den Wegfall des Zehnt und weniger Erträge aus den Pfründen sanken. Hintergrund war die Säkularisierung, aber auch zunehmende kirchliche Aufgaben infolge des Bevölkerungswachstums und der Urbanisierung. 

Symbolbild Kirche und Geld / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Kirche und Geld / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Auf Initiative der deutschen Staaten wurde damals eine Kirchensteuer eingeführt. Die Kirche war zunächst dagegen, weil das auch ein Mitbestimmungsrecht der Laien bei der Verwendung der Kirchensteuer bedeutete – das gibt es bis heute in den Kirchenvorständen und auf diözesaner Ebene – aber dieses System bewährt sich und existiert bis heute. Und heute sind die Kirchen auch ganz froh darüber. 

Die Kirchensteuer war schon in der Weimarer Reichsverfassung festgeschrieben, weil sich das System für beide Seiten bewährt hatte und der Staat auch ein Interesse daran hatte, die sozialstaatlichen Aufgaben nicht selbst übernehmen zu müssen. Aus diesem Grund hat man das auch in der aktuellen Verfassung der Bundesrepublik aufgenommen. 

DOMRADIO.DE: Eine diskutierte Alternative zur Kirchensteuer ist die Kultursteuer, die nicht nur Kirchenmitglieder, sondern alle Steuerpflichtigen zahlen, so wie es sie beispielsweise in Italien und Spanien gibt. Darüber haben Sie Ihre Doktorarbeit geschrieben. Was ist das, wie funktioniert das? 

Ott: Bei der Kultursteuer zahlen alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrer Kirchenmitgliedschaft. Sie können jedoch entscheiden, an wen dieser Anteil der Einkommenssteuer geht. Der grundlegende Unterschied zur Kirchensteuer ist, dass es sich um eine echte staatliche Steuer handelt, während die deutsche Kirchensteuer keine echte Steuer ist, sondern ein Mitgliedsbeitrag. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, die Kirche ist ein Empfänger unter vielen: Wer profitiert denn von dieser Kultursteuer sonst noch? 

Ott: In Italien zum Beispiel hat man 13 verschiedene Empfänger, zwischen denen man auswählen kann: Die katholische Kirche bekommt nach wie vor die meisten Stimmen in Italien, es gibt einen staatlichen Fonds für soziale Zwecke, es kann aber auch an buddhistische Vereinigungen, die Protestantische oder Waldensische Kirche gehen. 

In anderen Ländern stehen noch zahlreiche andere Organisationen als Empfänger zur Auswahl, nicht alle konfessionell, wie in Italien, aber es geht immer um Gemeinnützigkeit. 

DOMRADIO.DE: In Deutschland steht die Kirchensteuer immer wieder in der Kritik. Hat das System der Kultursteuer mehr Akzeptanz, weil die Zahlenden selbst bestimmen können, an wen das Geld geht? 

Ott: Ja, diese Mitbestimmung ist ein ganz wichtiger Aspekt, den wir auch hier in Deutschland mehr in den Fokus stellen sollten, denn das führt zu mehr Identifikation zwischen denen, die zahlen und den Zwecken, für die das Geld ausgegeben wird. Darum scheint auch für viele Menschen in Deutschland die Kultursteuer deutlich attraktiver. 

Für die Kirche in Deutschland wäre das Modell allerdings schwieriger, zum einen wegen des Wettbewerbs und weil die Einführung einer Kultursteuer zunächst einmal eine generelle Steuererhöhung bedeuten würde. 

Anna Ott

"In den anderen Ländern mit Kultursteuer sind die Kirchen auf zusätzliche Einnahmen angewiesen."

DOMRADIO.DE: Kommen die Kirchen in den Ländern, in denen es eine Kultursteuer gibt, mit diesem Finanzierungsmodell klar? 

Ott: Zum Beispiel in Italien beträgt die Höhe der Kultursteuer 0,8 Prozent der Einkommenssteuer, in Deutschland – zum Vergleich – zahlen wir acht Prozent von der Einkommenssteuer. In Italien kommt trotzdem einiges zusammen, vor allem, weil die Bevölkerung noch so katholisch geprägt ist. In den anderen Ländern mit Kultursteuer sind die Kirchen auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. 

Würde man das italienische System auf Deutschland übertragen, kämen wir ungefähr – das haben Berechnungen gezeigt – auf ein Zehntel der aktuellen Kirchensteuereinnahmen, wobei da noch nicht eingerechnet ist, ob wirklich alle Katholiken ihre Kultursteuer auch für die katholische Kirche einsetzen würden. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, aus Sicht der Kirchen in Deutschland wäre die Kultursteuer kein vorteilhaftes Modell?

Ott: Die Kultursteuer wird oft als Alternative zur Kirchensteuer in Deutschland angepriesen, aber ich glaube, das ist keine gute Lösung, vor allem wegen der stärkeren staatlichen Verzahnung. In Deutschland haben die Zahlenden die Freiheit zur Zahlung, weil es tatsächlich eine Mitgliederabgabe ist, während die Kultursteuer eine staatliche Steuer für alle ist, da sind die Kirchen auch vollkommen abhängig davon, für welche Höhe der Staat sich entscheidet. 

Und letztendlich glaube ich, dass ein Systemwechsel deshalb keinen Sinn macht, weil es darauf ankommt, dass die Menschen ihr Geld auch geben wollen und da spielt das System eine untergeordnete Rolle, es geht mehr darum, die Mitgliederorientierung zu stärken. 

DOMRADIO.DE: Man müsste den Menschen also besser vermitteln, welche Vorteile sie durch die Zahlung der Kirchensteuer haben? 

Ott: Ich glaube, es ist ein wichtiger Punkt, die Stärken und die Vorteile der Kirchensteuer noch mal ins Zentrum zu stellen und das sind einige. Das Image der Kirchensteuer ist einfach schlecht. Vielleicht, weil sie "Steuer" heißt und weil die Kirche insgesamt gerade keinen guten Ruf hat. 

Das Interview führte Ina Rottscheidt.

Kirchensteuer

Viele halten einer Umfrage nach die Kirchensteuer für unzeitgemäß. Ein Blick ins Ausland zeigt, wie Kirchenfinanzierung anders geht:

Bistum Regensburg rechnet mit weniger Geld / © godongphoto (shutterstock)
Bistum Regensburg rechnet mit weniger Geld / © godongphoto ( shutterstock )
Quelle:
DR