DOMRADIO.DE: Professor Söding, ist die Weltsynode immer noch gut unterwegs?
Prof. Dr. Thomas Söding (Experte und Teilnehmer der Weltbischofssynode in Rom, Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Ja, man merkt, dass es gute Kondition braucht. Die Synode ist ein Marathon. In Wirklichkeit geht es um zwei Halbmarathons. Wir haben ja jetzt das erste Jahr.
Es kommt noch das zweite Jahr 2024. Einmal sind wir jetzt mit allen Texten durch und nun wird es ernst.
DOMRADIO.DE: Es ist auch beabsichtigt, dass es am Ende einen Brief der Synode an diejenigen gibt, die man bis jetzt nicht mitgenommen hat. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Söding: Ich bin zunächst einmal heilfroh, dass die Synode auch in eine kleine Kommunikationsoffensive geht. Denn bislang war ja immer eher kontrollierte Defensive das Motto.
Ich meine, wir können aus Deutschland sagen, dass es dem synodalen Prozess sehr gutgetan hat, dass wir mit offenen Karten gespielt haben, dass Journalistinnen und Journalisten dabei sein konnten. Ich fand auch, dass der Livestream sehr gut gewesen ist.
Das sehen aber hier viele anders. Ich muss das respektieren. Die geschützten Räume, in denen kommuniziert werden kann, das will ich nicht verkennen, haben auch etwas Positives. Aber umso wichtiger muss dann auch sein, dass alles deutlich wird, was eigentlich bei der Synode herauskommt.
DOMRADIO.DE: Was erwarten Sie, was in dem Brief steht?
Söding: Ich erwarte, dass dieses Projekt Synode einfach noch mal erklärt wird. Auch kann und sollte in diesem Brief etwas darüber stehen, was eine Synode erreichen kann und was sie nicht erreichen kann.
Es ist schon eine kirchengeschichtliche Zäsur, denn nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat es noch niemals einen so großen Aufwand gegeben, dass sich die katholische Kirche mit ihrer eigenen Verfassung beschäftigt hat und gesagt hat: Na ja, so wie es jetzt ist, geht es eigentlich nicht weiter.
DOMRADIO.DE: Heißt das, dass man den Weg, den man jetzt beschritten hat – eben die Teilhabe vieler und dass alle Mitverantwortung tragen – nicht mehr aufhalten kann?
Söding: Ich bin davon überzeugt, dass die katholische Kirche jetzt eine Chance nutzt, die sie eigentlich schon seit langem gehabt hat, die aber nun unter dem Pontifikat von Franziskus reif geworden ist.
Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist das Bischofsamt sehr, sehr stark betont worden. Jetzt wird es Zeit, dass es eine größere Balance gibt.
Die katholische Kirche ist eine Bischofskirche, ja. Aber sie ist auch eine Kirche des Volkes Gottes.
DOMRADIO.DE: Sie haben eben gesagt, jetzt wird es ernst. In welchen Fragen wurde es ernst in der letzten Woche?
Söding: Die Verfassungsfrage halte ich für sehr, sehr wichtig. Hier müssen sich einige einen Ruck geben. Das ist auch für mich völlig selbstverständlich, weil die Kulturen in der katholischen Kirche doch sehr unterschiedlich sind. Und das ist auf der einen Seite das Großartige an dieser Kirche, dass sie eine Weltkirche ist.
Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass man jetzt nicht in alle Richtungen auseinanderstieben kann, sondern dass man auch den Laden zusammenhalten muss.
Ich glaube, hier muss es ein klares Signal geben, dass die katholische Kirche reformbereit und reformfähig ist. Zunächst mal, indem sie klärt, wie künftig strittige Fragen angegangen, besprochen und geklärt werden müssen.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat man sich hier fast vier Wochen Zeit genommen. Der ganze Prozess geht erst 2024 zu Ende. Viele in Deutschland kriegen gar nicht so viel mit und sagen: Das dauert doch alles viel zu lange. Was sagen Sie denen?
Söding: Ich versuche zum einen verständlich zu machen, dass es auch hier vielen viel zu langsam geht. Auf der anderen Seite möchte ich auch ein bisschen um Verständnis werben.
Die katholische Kirche ist eine Weltorganisation. Sie braucht ein bisschen Zeit, um auf Touren zu kommen. Ich glaube, dass jetzt hier mit einem sehr großen Aufwand jeder und jede mitgenommen worden ist.
Aber nun muss es auch tatsächlich vorangehen. Und zwar nicht, indem jetzt einige mit der Faust auf den Tisch hauen, sondern so, dass einfach die Punkte identifiziert werden, an denen weitergearbeitet werden muss. Und dann müssen Entscheidungen 2024 vorbereitet werden und auch fallen.
DOMRADIO.DE: Sie sind Experte in der theologischen Arbeitsgruppe. Welche Rolle spielt die Theologie?
Söding: Die Theologie spielt im Moment im Hintergrund eine große Rolle. Die Methode, die die Synode insgesamt gewählt hat, setzt sehr stark auf Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind reflektiert.
Sobald man in die Reflexion hineinkommt, spielen theologische Argumente eine starke Rolle, aber nicht nur theologische Argumente, sondern auch soziologische, psychologische, historische Argumente. Das wird allerdings nicht als solches thematisiert.
Es wird die Aufgabe der Theologie sein, im nahen Rückblick auf diese Synode zu sagen: Das waren die Eckpunkte, an denen es eine theologische Vertiefung braucht. Aber weil es die theologische Vertiefung gibt, kann auch tatsächlich der Weg in die Zukunft weisen.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.