DOMRADIO.DE: Jahrelange Vorbereitung und vier Wochen Diskussionen stecken nun im Abschlussdokument der Weltsynode. Was ist Ihr Fazit?
Prof. Dr. Thomas Söding (Theologischer Experte bei der Weltsynode): Es ist gut, so wie es geworden ist. Die katholische Kirche steckt in einer Verfassungskrise, sie hat das zugegeben. Jedenfalls die große Mehrheit. Sie arbeitet intensiv an einer Lösung dieser Krise. Die wird nicht dazu führen, dass das Papsttum abgeschafft wird, auch nicht die Bischöfe und Pfarrer. Aber es wird dazu führen, dass es viel mehr Partizipation und Transparenz gibt; mehr Kontrolle und Rechenschaft auf allen Ebenen.
Ganz zum Schluss hat der Papst seine ganz eigene, konsequente Pointe gesetzt. Er hat gesagt, dass er kein eigenes postsynodales Schreiben verfassen wird. Das heißt, er behält sich nicht vor, alles noch mal eigens zu prüfen. Das, was die Synode beschlossen hat, das ist das Wort der Synode an die katholische Kirche. Das ist ein Durchbruch, so etwas hat es früher noch nie gegeben.
DOMRADIO.DE: Was allerdings direkt eine Reihe von Fragen aufwirft. Welchen kirchenrechtlichen Status hat das Schreiben? Welche Verbindlichkeit? Die Idee kam bereits bei einer Pressekonferenz Anfang des Monats auf. Sie sind kein Kirchenrechtler, aber wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Söding: Die Synode hat damit eine umfassende und differenzierte Erklärung verabschiedet. Eine Erklärung, die eine Situationsbeschreibung ist und so etwas wie eine Landkarte ausbreitet. Was jetzt tatsächlich folgen muss, sind auf verschiedenen Ebenen Umsetzungen. Ein wichtiges Feld ist in der Tat das Kirchenrecht. Es ist markiert worden, dass es kirchenrechtlicher Veränderungen bedarf.
Beispielsweise wurde festgestellt, dass die Formulierung im Kanon, das Gottesvolk, die Laien hätten nur beratenden Charakter, unbedingt geändert werden muss. Wie es geändert wird, wird sich zeigen. Ich bin da aber zuversichtlich, weil es jetzt auch eine eigene, fachkompetente Arbeitsgruppe gibt, die genau die Aufgabe hat, an den empfindlichen Stellen nachzuschärfen, sodass das Kirchenrecht nicht nur einseitig die Hierarchie unterstützt, sondern die Rechte des Kirchenvolkes stärkt.
Die Dezentralisierung wäre ein zweiter Aspekt, etwa das Einziehen von verbindlichen Organen, aus denen sich einzelne Bischöfe nicht mehr herausziehen können. Auch dort haben wir zunächst einmal nur programmatische Erklärungen in der richtigen Richtung, nun kommt es auf die Umsetzung an.
DOMRADIO.DE: Das große kontroverse Thema in den letzten Wochen war die Rolle der Frau. Das hat auch bei der Abstimmung verhältnismäßig viel Widerspruch gefunden. Was heißt das für die Zukunft der Kirche?
Söding: In der katholischen Kirche stoßen traditionelle Rollenbilder mit Emanzipationsbewegungen zusammen, die es weltweit gibt, keineswegs nur in den westlichen Gesellschaften. Das Problem der Kirche ist, dass diese hierarchische Struktur auch gleichzeitig so etwas wie eine Männerherrschaft etabliert. Diese Verbindung zu knacken, das dürfte die wichtige Aufgabe sein.
Ich nehme das Ergebnis heute in zwei Aspekten wahr. Weit mehr als zwei Drittel der Anwesenden, vor allem Bischöfe, sind der Auffassung, dass die Frage des sakramentalen Diakonates weiterhin offen ist. Die Tür ist nicht geschlossen. Des weiteren kann man auch jetzt schon um diese Frage herum sehr vieles machen, und man muss es auch, um legitime Frauenrechte zu stärken. Das ist eine weltweite Aufgabe. Das sehen nicht alle so, aber die Mehrheit schon. Und auch dort braucht es rechtliche Klarstellungen.
DOMRADIO.DE: Das war auch einer der Schwerpunkte beim Synodalen Weg in Deutschland, dessen Vizepräsident Sie waren. Wie blicken Sie auf das Ergebnis heute aus diesem Winkel? Der Synodale Weg hat ja auch große Hoffnungen auf die Weiterbearbeitung der Themen in der Weltsynode gesetzt.
Söding: Das darf ich sagen, ohne Betriebsgeheimnisse zu verraten: Die Bischöfe aus Deutschland haben hier die Positionen des Synodalen Weges klar und deutlich vertreten. Sie sind nicht besserwisserisch aufgetreten. Sie haben sich eingebracht in diesen Prozess. Das war ein sehr wichtiges Zeichen. Selbstverständlich wurden auch viele Gespräche am Rande geführt, die alle auch sehr deutlich zu einer weiteren Entspannung beigetragen haben.
Wir in Deutschland haben den Synodalen Weg als ein gemeinschaftliches Projekt, sowohl der Bischofskonferenz als auch des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, durchgeführt. Wir können nun auf einer gesicherten Grundlage weitermachen. Wir haben eine sehr hohe Schnittmenge zu den Beschlüssen des Synodalen Weges, die aber auch zum Großteil Erklärungen sind, die noch umgesetzt werden müssen. Wir werden jetzt in Ruhe mit dem Synodalen Ausschuss weiter machen können und sind, Gott sei Dank, nicht in der Zwickmühle, dass wir erst mal Monate auf ein postsynodales Schreiben warten müssen. Wir wissen jetzt, was wir in der Hand haben, womit wir arbeiten können, und das werden wir seriös, aber auch ambitioniert tun.
DOMRADIO.DE: Doppelfrage zum Schluss: Das ist bei weitem nicht Ihre erste Synode, die ist aber definitiv anders abgelaufen als alle vorigen. Mit Stuhlkreisen, mit Stimmrecht der Laien. Wie ungewöhnlich war diese Erfahrung – und wie nachhaltig wird sie sein für die nächsten Synoden?
Söding: Das war wirklich ein starker Unterschied, und zwar nicht nur im äußeren Bild, sondern vor allem auch in der inneren Einstellung. Sowohl der einzelnen Personen als auch der gesamten Versammlung. Da kann man dem Papst nur dankbar sein, dass er dieses Stichwort von der synodalen Kirche geprägt hat und diese neue Form gemeinsam mit dem Synodensekretariat entwickelt hat. Dass er auf die Idee gekommen ist, nicht nur Bischöfe mit Sitz und Stimme als Vollmitglieder einzuladen, sondern auch andere. Wie das geschehen ist, da ist sicherlich noch sehr viel Verbesserung möglich, was die Kriterien und Transparenz anbelangt. Aber dass es geschehen ist, das halte ich für unhintergehbar.
Wir haben jetzt ein klares Bekenntnis zu dieser kooperativen Art der Versammlung. Vor einem Jahr gab es noch Bischöfe, die Angst um ihre bischöfliche Identität hatten. Das ist nicht mehr der Fall. Wir sehen jetzt, dass die Klarheit und Souveränität des Bischofsamtes auch diese qualifizierte Form von Partizipation vorsieht.
Jetzt muss aber auch eine Antwort vom Kirchenvolk kommen. Da wo Rechte gestärkt werden, entstehen auch Pflichten. Die bestehen meines Erachtens darin, nicht einfach den Status Quo abzusegnen, auch nicht einfach sich in ein Wolkenkuckucksheim hineinzuträumen, sondern die nächsten Schritte zu planen und gemeinsam zu gehen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.