Soziologe Pollack wirft Theologe Zulehner Realitätsverweigerung vor

Ein theologischer "Schnellschuss"?

Der Religionssoziologe Detlef Pollack hat dem Theologen Paul Zulehner vorgeworfen, sich der Realität zu verweigern. Zulehner wolle die Theologie gegen sozialwissenschaftliche Erkenntnisse immunisieren, schrieb Pollack.

Paul Zulehner / © Lukas Ilgner (KNA)

Der Wiener Pastoraltheologe Zulehner hatte in der vergangenen Woche davor gewarnt, angesichts des kirchlichen Bedeutungsverlustes die Pluralität religiöser Überzeugungen zu unterschätzen. Gott wohne in jedem Menschen, so Zulehner. Der Pastoraltheologe forderte, dass die Soziologie in ihrer Situationsbeschreibung auch theologische Kategorien berücksichtigen müsse.

Warnung vor theologischen Schnellschüssen

Pollack kritisierte Zulehners Annahme, dass Religion eine anthropologische Notwendigkeit sei und dass der Bedeutungsverlust des Christentums nur eine Wahrnehmungsfrage sei. Dabei handle es sich um einen "theologischen Schnellschuss", der versuche, "das Problem der Säkularisierung ein für alle Mal vom Tisch zu wischen". Auch die ausweichende Rede von einem Gott, der sich verberge und nur aufgespürt werden müsse, sei eine theologische Verteidigungsstrategie, so Pollack.

Prof. Dr. Detlef Pollack (privat)
Prof. Dr. Detlef Pollack / ( privat )

Laut Pollack zeigten empirische Studien deutlich den Rückgang der sozialen Relevanz des Christentums in Westeuropa, was sich nicht einfach durch eine theologische Deutung wegdiskutieren lasse. Viele der Antworten, die die Theologie darauf gebe, hätten sich als untauglich erwiesen.

Stattdessen plädierte Pollack dafür, die Ursachen des Bedeutungsverlusts - wie Individualisierung, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Differenzierung - wissenschaftlich zu erforschen, um Gegenstrategien zu entwickeln.

Säkularisierung

In früheren Jahrhunderten war die Weltanschauung der Menschen stark an die Religion und die Kirche gebunden. Deren Gebote und Verbote schrieben vor, wie die Menschen zu leben hatten. Erst als die geistige Bewegung der Aufklärung Ende des 17. Jahrhunderts in Europa entstand, setzte eine "Verweltlichung", eine Abwendung von Religion und Kirche ein. Das aus dem Lateinischen kommende Wort "Säkularisierung" beschreibt diesen Prozess.

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