Wenn die Abschiebung droht, ist Kirchenasyl für viele Flüchtlinge die letzte Hoffnung. Mehrere Hundert Menschen leben aktuell in Räumlichkeiten der Kirche. Dort darf der Staat sie nämlich nicht fassen; dort sind sie bis auf Weiteres sicher. Des einen Freud ist des anderen Leid: Denn den Behörden sind angesichts des Kirchenasyls die Hände gebunden. Und das obwohl es für den kirchlichen Schutz keine rechtliche Grundlage gibt.
Damit setzt sich die Kirche streng genommen über geltendes Recht hinweg, oder anders gesagt: Haben Gottes Gesetze sozusagen Geltungsvorrang?
Kirchenasyl: Juristischer Dauerbrenner
Die Frage ist indes nicht neu; seit ein paar Jahren gibt es immer wieder Streit zwischen Kirchen und Behörden. Vor zwei Jahren wurde eine Art Gentleman Agreement zwischen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BamF) und den beiden großen Kirchen getroffen. Demnach respektiere der Staat Kirchenasyl - aber nur in Ausnahmefällen.
Die Vereinbarung ändert hingegen nichts an der verbindlichen Rechtslage: Kirchenasyl begründet kein Widerstandsrecht gegen den Staat. Theoretisch dürfen die Behörden trotzdem abschieben.
Warum könnte Kirchenasyl strafbar sein?
Die Praxis des Kirchenasyls wurde bisher anstandslos von den Behörden toleriert, weil Kirchenasyl immer eine Art Ultima Ratio war, auf die erst nach dem abgeschlossenen und negativen Asylverfahren zurückgegriffen wurde. Das habe sich in den vergangenen Jahren aber geändert, heißt es kritisch aus dem BamF. Nach Ministeriumsangaben befänden sich immer mehr Menschen im Kirchenasyl, deren Verfahren noch gar nicht abgeschlossen sei, sondern die gemäß geltenden Dublin-Verordnung zuerst an den zuständigen Staat überstellt werden müssten. Das heißt: An dieser Stelle greift Kirchenasyl ein und untergräbt EU-Recht.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund kann sich jemand, der Kirchenasyl gewährt, strafbar machen: Und zwar wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt oder - je nach Einzelfall - auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Begünstigung oder Einschleusens von Ausländern.
Fakt ist: Kirchenasyl ist nicht gesetzlich garantiert oder ausdrücklich aufgeschrieben. Es handelt sich vielmehr um eine alte Tradition, weshalb Befürworter mit dem Gewohnheitsrecht argumentieren. Andere berufen sich auf das Grundgesetz, das in Artikel 16a bestimmt, dass politisch Verfolgte Schutz genießen. Wieder andere berufen sich auf Artikel 4 des Grundgesetztes und sehen Kirchenasyl als Recht der freien Religionsausübung oder als Ausdruck der religiösen Selbstverwaltung.
Klärung in Sicht?
Derjenige, der in Kirchenasyl ist, kann sich strafbar machen; nämlich wegen illegalen Aufenthalts. Eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts Freising soll nun Anlass sein, die Frage juristisch klären zu lassen. Der Richter hatte einen 31-Jährigen Nigerianer freigesprochen, der für mehrere Monate in einer Freisinger Pfarrei Unterschlupf gefunden hatte.
Die Staatsanwaltschaft möchte den Fall nun ans Oberlandesgericht München weitergeben. Ein Urteil dort könnte den Umgang der Justiz und der Polizei mit Kirchenasyl in Bayern entscheidend verändern.