Stefan Orth schreibt Interview-Buch mit Bischof Bätzing

Sture Traditionalisten gegen deutsche Reformer?

Reformer für die einen, fast ein neuer Martin Luther für die anderen. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz steht Bischof Bätzing mitten in einem katholischen Kulturkampf. Dazu hat Stefan Orth ihn in einem Buch befragt.

Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Peter Jülich (KNA)
Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Peter Jülich ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das Buch heißt "Rom ist kein Gegner". Der Titel nimmt das schwarz-weiß Denken auf, auf der einen Seite sture Traditionalisten, auf der anderen die deutschen Reformer. Warum haben Sie denn diesen Titel gewählt?

Stefan Orth (HERDER)

Stefan Orth (Chefredakteur der Herder Korrespondenz): Es ist der Reiz des Titels gewesen, diesen Titel zu wählen, weil er ein bisschen gegenteilig klingt, von dem was man normalerweise erwartet, wenn wir jetzt über Bischof Bätzing reden. 

Aber für Bischof Bätzing ist völlig klar, dass Rom natürlich kein Gegner ist. Er ist ein katholischer Bischof und ein katholischer Priester, was für ihn wesentliche Merkmale der katholischen Kirche sind. Und natürlich möchte er die Reformen, für die er sich einsetzt, mit Rom zusammen umsetzen und sieht da natürlich in Papst Franziskus, einen Verbündeten, der ja gerade synodale Prozesse weltweit eingeläutet hat. Jetzt stellt sich natürlich mehr die Frage, wie man diese Prozesse weltweit mit dem synodalen Weg in Deutschland synchronisiert bekommt. 

DOMRADIO.DE: Und doch ist er oft massiv unzufrieden. Erst recht, wenn es beispielsweise um unangekündigte Briefe aus Rom geht. Da kann er auch schon mal sehr direkt werden oder?

Stefan Orth

"Bischof Bätzing hat genaue Vorstellungen von dem, wie Reformen laufen sollen und er ärgert sich natürlich auch über Störfeuer."

Orth: Bischof Bätzing hat genaue Vorstellungen von dem, wie Reformen laufen sollen und er ärgert sich natürlich auch über Störfeuer. Aber er weiß auch sehr genau zu unterscheiden, ob man mit einer einfachen Interviewaussage umgehen muss, die man sicherlich nicht so ernst nehmen sollte, oder ob man eine Erklärung aus einem Dikasterium oder in einem apostolischen Schreiben zugeschickt bekommt.

DOMRADIO.DE: In der Ankündigung des Verlages heißt es Bischof Bätzing rede Klartext. Was spricht er denn klipp und klar aus? 

Orth: Er benennt die Punkte, die die katholische Kirche in eine Krise geführt haben. Er spricht offen aus, dass wir in einer sehr großen Krise stecken, was die Gründe für diese Krise sind und was dann auch getan werden könnte und getan werden sollte, um diese Krise zu überwinden. Um am Ende geht es auch wieder um Themen wie Evangelisierung, das Beschäftigen mit der Gottesfrage, Spiritualität und darum wie man diese, für den christlichen Glauben wichtigen Dinge, wieder neu angehen kann und eine neue Glaubwürdigkeit erlangt. Die bekommt man eben nur, wenn man die Probleme, die es gibt, auch klar benennt.

DOMRADIO.DE: Nun ist das ein Interview-Buch mit über 100 Seiten. Mussten sich sich dafür mehrmals zusammensetzen?

Stefan Orth

"Es war für mich extrem beeindruckend, wie konzentriert Bischof Bätzing auf die Fragen geantwortet hat und wie strukturiert er die Dinge darlegt."

Orth: Wir hatten natürlich nicht einfach nur ein Gespräch. Es hat schon etwas mehr Zeit gebraucht. Es war für mich extrem beeindruckend, wie konzentriert Bischof Bätzing auf die Fragen geantwortet hat und wie strukturiert er die Dinge darlegt. So haben wir zum einen gar nicht viel Zeit gebraucht, und zum anderen war das Material, das er er geliefert hat, überdurchschnittlich gut zu verwenden.

DOMRADIO.DE: Bei all den Konflikten, die es in der katholischen Kirche in Deutschland gibt, denkt er auch mal dran hinzuschmeißen und zu sagen: "Jetzt reicht es mir aber!"? 

Orth: Es war, glaube ich, weder so, dass er sich in das Amt des Bischofs von Limburg gedrängt hätte, noch in das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Beide Ämter kamen überraschend auf ihn zu, und in beiden Fällen hat er das Amt angenommen, weil er sieht, dass er da Kompetenzen hat und Dinge einbringen kann, die ihm wichtig sind. Und mit Blick auf den Vorsitz der Bischofskonferenz fand ich interessant, dass er gesagt hat, dass ihm dieses Amt gar nicht so wichtig gewesen wäre, sondern viel mehr dem Bistum Limburg, das eine schwere Phase hinter sich hatte und so im Ansehen wieder etwas steigt, da es eben den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz stellt.

DOMRADIO.DE: Denn sein Vorgänger, muss man wissen, war Tebartz-van Elst. Es gibt ja Spaltung zwischen zwei Fronten, um es namentlich auszudrücken, zwischen Kardinal Woelki und Bischof Bätzing. Das sind getrennte Welten und getrennte Vorstellungen von praktizierter katholischer Kirche. Sieht er eine Möglichkeit wie die beiden Fronten wieder zusammengeführt werden könnten?

Stefan Orth

"Wenn es aufgrund von Gewissensunterschieden einen Dissens gibt. Dann ist er auch bereit diese Unterschiede stehen zu lassen."

Orth: Er ist da sehr realistisch, dass es da eine Polarisierung gibt und dass die Polarisierung auch zugenommen hat. Ich  erlebe ihn so, dass ihm gar nichts an dieser Polarisierung liegt. Natürlich nennt er die Dinge beim Namen, natürlich setzt sich für seine Ideen ein. Er hat aber auch ein Verständnis von Synodalität und er weiß wie wichtig es ist, auch die anderen zu hören und zu verstehen, und zu respektieren. Wenn es aufgrund von Gewissensunterschieden einen Dissens gibt. Dann ist er auch bereit diese Unterschiede stehen zu lassen.

DOMRADIO.DE: Sie haben den Limburger Bischof auch persönlich kennengelernt in diesen Gesprächen. Was hat Sie an diesen Gesprächen an dem Menschen Georg Bätzing überrascht? 

Orth: Es war sehr schön, weil wir in dem Buch immer wieder entlang seiner biografischen Stationen von seinen Erfahrungen ausgegangen sind. Eine Szene ist mir besonders in Erinnerung, weil er davon sprach, wie er als Schüler so intensiv mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern über Gott und die Welt diskutiert hat. Und das in einer Gegend, die nicht rein katholisch war, sondern wo auch freikirchliche Christen eine Rolle gespielt haben, sodass er immer auch im Austausch auch mit evangelischen Christen war. 

Er sagt, dass sein katholischer Glaube in diesen Diskussionen mit den evangelischen Christen gewachsen und gereift ist, und dass er dadurch auch etwas gelernt hätte, was heute in seinem  ökumenischen Engagement wichtig ist. Das ist bei ihm seit der Jugend ganz tief verankert. Da hat er mit großer Begeisterung gesprochen. Ich habe gemerkt, dass diese Optionen, die er heute immer wieder formuliert, schon sehr früh in seinem Leben verankert wurden.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR