Hochrangige Vertreter der Weltreligionen und Tausende Gläubige treffen sich seit Sonntag in Berlin, um für Frieden zu beten und über gewaltfreie Konfliktlösungen zu reden. Zur Eröffnung sprach Bundespräsident Steinmeier.
"Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein", sagte Steinmeier am Sonntag in Berlin vor ranghohen Vertretern von Juden, Christen, Muslimen und weiteren Weltreligionen. Er sprach beim Auftakt eines Internationalen Friedenstreffens auf Einladung der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio.
Steinmeier würdigt weltweiten Einsatz von Sant'Egidio
Wörtlich kritisierte Steinmeier laut Redemanuskript: "Wer sich im Namen der Religion auf die Seite eines aggressiven Kriegsherren stellt, der ein friedliches demokratisches Nachbarland mit Gewalt unterwerfen will; wer es als Führung einer christlichen Kirche unterstützt, dass unvorstellbare Gräuel an den Menschen in diesem Land, ja, an den eigenen Schwestern und Brüdern im Glauben begangen werden; wer so handelt, verstößt fundamental gegen das Friedensgebot des Glaubens."
Der Bundespräsident rief die Religionsgemeinschaften auf, den Frieden zu fördern. Als "Kraft der Versöhnung" könnten sie einen unverzichtbaren Dienst für die Menschheit leisten.
"Selbstkritik der Religionen unabdingbar"
Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bezeichnete es laut Redemanuskript als "nicht hinnehmbar", dass eine christliche Kirche den Krieg gegen ein Nachbarland legitimiere.
Der Limburger Bischof wertete es als Beispiel dafür, "dass alle Religionen zu unterschiedlichen Zeiten ihrer Geschichte den Dämonen der Friedlosigkeit und Gewalt nachgegeben" haben. "Selbstkritik der Religionen ist also unabdingbar", so Bätzing, "damit die Religionen glaubwürdige Akteure des Friedens sind".
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, verurteilte ebenfalls den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Sie betonte, notwendig seien sowohl eine Ukraine, die sich verteidigen könne, als auch die Bereitschaft zu Verhandlungen, um "die Waffen zum Schweigen zu bringen".
Gäste aus über 30 Ländern weltweit
Die Redner der Eröffnungsveranstaltung, darunter auch der wichtige muslimische Geistliche Ahmed Al-Tayyeb und Militärrabbiner Zsolt Balla, betonten die Verantwortung von Religionsgemeinschaften für friedliche Konfliktlösungen.
Zu dem internationalen Treffen von Sant' Egidio werden bis Dienstag hochrangige Vertreter der Weltreligionen aus über 30 Ländern weltweit in Berlin erwartet. Die Gemeinschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln. Oft habe die Gemeinschaft dort vermittelt, "wo die Politik gescheitert ist oder jedenfalls nicht vorankam", würdigte Steinmeier die Arbeit von Sant' Egidio. Als Außenminister hatte er eine eigene Abteilung für den Dialog der Religionsgemeinschaften im Auswärtigen Amt eingerichtet.
Einmal im Jahr veranstaltet die Gemeinschaft an wechselnden Orten ein Friedenstreffen. Der Gründer der Gemeinschaft, Andrea Riccardi, hob den Ort des diesjährigen Treffens hervor. Berlin sei eine Stadt, in der die Geschichte nie verstumme, sagte er und verwies auf die Schoah und die friedliche Revolution. Heute sei die Welt weit entfernt von den Hoffnungen, die man nach dem Fall der Mauer hatte. Am Dienstag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Treffen erwartet.